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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ein Kätzchen, und man weiß nicht, welche Laune ihr reizender steht.

Der Graf schien seine Frau zu kennen, denn gleich darauf schlug ein perlender Triller an sein Ohr, und bald folgte ihre Stimme, voll, klar und hell wie jubelnder Übermuth den geflügelten Tönen nach.

Den Grafen zog es unwiderstehlich an die Seite seiner Frau, und er nahm seinen Schwager mit sich hinaus.

Zu Hause entwarf Otto seinem Vater ein glänzendes Bild von dem Glück und der Liebenswürdigkeit der jungen Frau und ärgerte sich, als dieser ihn dabei nur mit einem ungläubigen Blicke ansah, der selbst nicht von seinem Gesichte wich, als sein Schwiegersohn, der bald nachkam, Alles, was Otto gesagt, mehr als bestätigte. Erst als er von dem Fenster aus seine Tochter, selbst kurz darauf aus dem Wagen hüpfen sah, leicht und blühend, wie die jüngste der Grazien, die noch kein Hauch des Kummers berührt, athmete er erleichtert auf. Er hatte nicht den Muth gehabt, selbst nach einer Überzeugung zu gehen.

In Gegenwart ihres Vaters indessen überkam die junge Gräfin die alte Beklommenheit, die sie als Mädchen stets vor ihm gefühlt, heute noch bedeutend verstärkt durch die Stimme ihres Gewissens. Sie sagte sich vergebens, sie habe nichts Strafwürdiges gethan; das Bild der Mutter wich nicht aus ihrem Geiste und durchbebte sie mit einem kalten Schauer der Angst. Aber um so inniger schloß sie sich an ihren Mann. Es war, als suche sie Schutz unter seiner warmen Liebe gegen die furchtbare Gefahr, die sie gespensterhaft in der Ferne aufdämmern sah. Ihrem ganzen Wesen hauchte es einen rührenden Ausdruck demütiger Abhängigkeit ein. Sie war so still, so unterthänig, so voll tief geheimer und ahnungsvoller Hingebung, daß selbst den alten Grafen etwas wie Rührung beschlich. Aber zu Hause gab die Spannung ihrer Nerven nach,

ein Kätzchen, und man weiß nicht, welche Laune ihr reizender steht.

Der Graf schien seine Frau zu kennen, denn gleich darauf schlug ein perlender Triller an sein Ohr, und bald folgte ihre Stimme, voll, klar und hell wie jubelnder Übermuth den geflügelten Tönen nach.

Den Grafen zog es unwiderstehlich an die Seite seiner Frau, und er nahm seinen Schwager mit sich hinaus.

Zu Hause entwarf Otto seinem Vater ein glänzendes Bild von dem Glück und der Liebenswürdigkeit der jungen Frau und ärgerte sich, als dieser ihn dabei nur mit einem ungläubigen Blicke ansah, der selbst nicht von seinem Gesichte wich, als sein Schwiegersohn, der bald nachkam, Alles, was Otto gesagt, mehr als bestätigte. Erst als er von dem Fenster aus seine Tochter, selbst kurz darauf aus dem Wagen hüpfen sah, leicht und blühend, wie die jüngste der Grazien, die noch kein Hauch des Kummers berührt, athmete er erleichtert auf. Er hatte nicht den Muth gehabt, selbst nach einer Überzeugung zu gehen.

In Gegenwart ihres Vaters indessen überkam die junge Gräfin die alte Beklommenheit, die sie als Mädchen stets vor ihm gefühlt, heute noch bedeutend verstärkt durch die Stimme ihres Gewissens. Sie sagte sich vergebens, sie habe nichts Strafwürdiges gethan; das Bild der Mutter wich nicht aus ihrem Geiste und durchbebte sie mit einem kalten Schauer der Angst. Aber um so inniger schloß sie sich an ihren Mann. Es war, als suche sie Schutz unter seiner warmen Liebe gegen die furchtbare Gefahr, die sie gespensterhaft in der Ferne aufdämmern sah. Ihrem ganzen Wesen hauchte es einen rührenden Ausdruck demütiger Abhängigkeit ein. Sie war so still, so unterthänig, so voll tief geheimer und ahnungsvoller Hingebung, daß selbst den alten Grafen etwas wie Rührung beschlich. Aber zu Hause gab die Spannung ihrer Nerven nach,

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[0112] ein Kätzchen, und man weiß nicht, welche Laune ihr reizender steht. Der Graf schien seine Frau zu kennen, denn gleich darauf schlug ein perlender Triller an sein Ohr, und bald folgte ihre Stimme, voll, klar und hell wie jubelnder Übermuth den geflügelten Tönen nach. Den Grafen zog es unwiderstehlich an die Seite seiner Frau, und er nahm seinen Schwager mit sich hinaus. Zu Hause entwarf Otto seinem Vater ein glänzendes Bild von dem Glück und der Liebenswürdigkeit der jungen Frau und ärgerte sich, als dieser ihn dabei nur mit einem ungläubigen Blicke ansah, der selbst nicht von seinem Gesichte wich, als sein Schwiegersohn, der bald nachkam, Alles, was Otto gesagt, mehr als bestätigte. Erst als er von dem Fenster aus seine Tochter, selbst kurz darauf aus dem Wagen hüpfen sah, leicht und blühend, wie die jüngste der Grazien, die noch kein Hauch des Kummers berührt, athmete er erleichtert auf. Er hatte nicht den Muth gehabt, selbst nach einer Überzeugung zu gehen. In Gegenwart ihres Vaters indessen überkam die junge Gräfin die alte Beklommenheit, die sie als Mädchen stets vor ihm gefühlt, heute noch bedeutend verstärkt durch die Stimme ihres Gewissens. Sie sagte sich vergebens, sie habe nichts Strafwürdiges gethan; das Bild der Mutter wich nicht aus ihrem Geiste und durchbebte sie mit einem kalten Schauer der Angst. Aber um so inniger schloß sie sich an ihren Mann. Es war, als suche sie Schutz unter seiner warmen Liebe gegen die furchtbare Gefahr, die sie gespensterhaft in der Ferne aufdämmern sah. Ihrem ganzen Wesen hauchte es einen rührenden Ausdruck demütiger Abhängigkeit ein. Sie war so still, so unterthänig, so voll tief geheimer und ahnungsvoller Hingebung, daß selbst den alten Grafen etwas wie Rührung beschlich. Aber zu Hause gab die Spannung ihrer Nerven nach,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/112>, abgerufen am 29.04.2024.