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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

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Von Verein. u. Untersch. Seel. u. Cörpers.


Er, dessen Gottheit nichts als Wollust war, und Freude,
Errichtete sein Lehr-Gebäude
Für Vieh und Menschen gleich. Wenn alles Cörper wäre,
Wie kan er doch, im Jrrthum seiner Lehre,
Des Cörpers und des Geistes Freuden
Wol voneinander unterscheiden?
Es scheint, daß er sich selbst beständig widerspricht.
Welch' eine Thorheit ist es nicht,
Da er die Geister selbst vernichtigt und vergrädt,
Zu der Zeit, da er sich bestrebt,
Der Weisheit Preis zu überkommen,
Wie daß ein cörperlicher Geist
Auch einen Trieb für Ruhm und Ehre weist,
Wovon der seinige so sehr doch eingenommen?
Betrachtet er mit der Verächtlichkeit
Der Seelen dauernde Beschaffenheit,
Für wen verlangte er sich einen Ruhm zu stifften,
Den er sich sterbend doch versprach aus seinen Schrifften.


Jst jemand, welcher es noch nicht begreiffen kan?
Blos durch die Regsamkeit, die wir ihr schencken,
Will man sie können sehn, verstehen und gedencken!
Es sollen Sonnen Stäubelein
Erleuchtet, fromm, beredt, klug, weiß und sinnreich seyn.
Ein
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Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers.


Er, deſſen Gottheit nichts als Wolluſt war, und Freude,
Errichtete ſein Lehr-Gebaͤude
Fuͤr Vieh und Menſchen gleich. Wenn alles Coͤrper waͤre,
Wie kan er doch, im Jrrthum ſeiner Lehre,
Des Coͤrpers und des Geiſtes Freuden
Wol voneinander unterſcheiden?
Es ſcheint, daß er ſich ſelbſt beſtaͤndig widerſpricht.
Welch’ eine Thorheit iſt es nicht,
Da er die Geiſter ſelbſt vernichtigt und vergraͤdt,
Zu der Zeit, da er ſich beſtrebt,
Der Weisheit Preis zu uͤberkommen,
Wie daß ein coͤrperlicher Geiſt
Auch einen Trieb fuͤr Ruhm und Ehre weiſt,
Wovon der ſeinige ſo ſehr doch eingenommen?
Betrachtet er mit der Veraͤchtlichkeit
Der Seelen dauernde Beſchaffenheit,
Fuͤr wen verlangte er ſich einen Ruhm zu ſtifften,
Den er ſich ſterbend doch verſprach aus ſeinen Schrifften.


Jſt jemand, welcher es noch nicht begreiffen kan?
Blos durch die Regſamkeit, die wir ihr ſchencken,
Will man ſie koͤnnen ſehn, verſtehen und gedencken!
Es ſollen Sonnen Staͤubelein
Erleuchtet, fromm, beredt, klug, weiß und ſinnreich ſeyn.
Ein
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[549/0579] Von Verein. u. Unterſch. Seel. u. Coͤrpers. Er, deſſen Gottheit nichts als Wolluſt war, und Freude, Errichtete ſein Lehr-Gebaͤude Fuͤr Vieh und Menſchen gleich. Wenn alles Coͤrper waͤre, Wie kan er doch, im Jrrthum ſeiner Lehre, Des Coͤrpers und des Geiſtes Freuden Wol voneinander unterſcheiden? Es ſcheint, daß er ſich ſelbſt beſtaͤndig widerſpricht. Welch’ eine Thorheit iſt es nicht, Da er die Geiſter ſelbſt vernichtigt und vergraͤdt, Zu der Zeit, da er ſich beſtrebt, Der Weisheit Preis zu uͤberkommen, Wie daß ein coͤrperlicher Geiſt Auch einen Trieb fuͤr Ruhm und Ehre weiſt, Wovon der ſeinige ſo ſehr doch eingenommen? Betrachtet er mit der Veraͤchtlichkeit Der Seelen dauernde Beſchaffenheit, Fuͤr wen verlangte er ſich einen Ruhm zu ſtifften, Den er ſich ſterbend doch verſprach aus ſeinen Schrifften. Jſt jemand, welcher es noch nicht begreiffen kan? Blos durch die Regſamkeit, die wir ihr ſchencken, Will man ſie koͤnnen ſehn, verſtehen und gedencken! Es ſollen Sonnen Staͤubelein Erleuchtet, fromm, beredt, klug, weiß und ſinnreich ſeyn. Ein M m 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/579>, abgerufen am 30.04.2024.