239. Diese wird noch vermehrt durch die Menge der Zufälle mit welchen die kriegerische Handlung im Kon- takt ist.
240. Wo Ungewißheit ist wird das Wagen ein we- sentliches Element.
241. Wagen in der gewöhnlichen Bedeutung heißt auf Dinge bauen die mehr unwahrscheinlich als wahrschein- lich sind. Wagen in der weitesten Bedeutung aber heißt Dinge voraussetzen die nicht gewiß sind. In dieser letzten Bedeutung müssen wir es hier nehmen.
242. Gäbe es nun bei allen vorkommenden Fällen eine Linie zwischen Wahrscheinlichkeit und Unwahrscheinlich- keit, so könnte man auf den Gedanken kommen sie zur Grenzlinie des Wagens zu machen, und also das Wagen über dieselbe hinaus, nämlich das Wagen im engeren Sinne für unzulässig zu halten.
243. Allein erstlich wäre eine solche Linie eine Chi- märe, zweitens ist der Kampf nicht bloß ein Akt der Über- legung sondern auch der Leidenschaft und des Muthes. Man kann diese Dinge nicht ausschließen, wollte man sie aber zu sehr beschränken, so würde man seinen eigenen Kräften die stärksten Prinzipe nehmen und dadurch in konstanten Nachtheil gerathen; denn in der Mehrheit der Fälle gleicht sich das unvermeidliche häufige Zurückbleiben hinter der Linie nur dadurch aus daß zuweilen darüber hinausgegangen wird.
244. Je günstiger die Voraussetzungen sind die man macht, d. h. je mehr man wagen will, um so größer sind die Erfolge welche man bei denselben Mitteln erwartet, also die Zwecke welche man sich vorsetzt.
245. Je mehr man wagt um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, also die Sicherheit des Erfolgs.
239. Dieſe wird noch vermehrt durch die Menge der Zufaͤlle mit welchen die kriegeriſche Handlung im Kon- takt iſt.
240. Wo Ungewißheit iſt wird das Wagen ein we- ſentliches Element.
241. Wagen in der gewoͤhnlichen Bedeutung heißt auf Dinge bauen die mehr unwahrſcheinlich als wahrſchein- lich ſind. Wagen in der weiteſten Bedeutung aber heißt Dinge vorausſetzen die nicht gewiß ſind. In dieſer letzten Bedeutung muͤſſen wir es hier nehmen.
242. Gaͤbe es nun bei allen vorkommenden Faͤllen eine Linie zwiſchen Wahrſcheinlichkeit und Unwahrſcheinlich- keit, ſo koͤnnte man auf den Gedanken kommen ſie zur Grenzlinie des Wagens zu machen, und alſo das Wagen uͤber dieſelbe hinaus, naͤmlich das Wagen im engeren Sinne fuͤr unzulaͤſſig zu halten.
243. Allein erſtlich waͤre eine ſolche Linie eine Chi- maͤre, zweitens iſt der Kampf nicht bloß ein Akt der Über- legung ſondern auch der Leidenſchaft und des Muthes. Man kann dieſe Dinge nicht ausſchließen, wollte man ſie aber zu ſehr beſchraͤnken, ſo wuͤrde man ſeinen eigenen Kraͤften die ſtaͤrkſten Prinzipe nehmen und dadurch in konſtanten Nachtheil gerathen; denn in der Mehrheit der Faͤlle gleicht ſich das unvermeidliche haͤufige Zuruͤckbleiben hinter der Linie nur dadurch aus daß zuweilen daruͤber hinausgegangen wird.
244. Je guͤnſtiger die Vorausſetzungen ſind die man macht, d. h. je mehr man wagen will, um ſo groͤßer ſind die Erfolge welche man bei denſelben Mitteln erwartet, alſo die Zwecke welche man ſich vorſetzt.
245. Je mehr man wagt um ſo geringer iſt die Wahrſcheinlichkeit, alſo die Sicherheit des Erfolgs.
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239. Dieſe wird noch vermehrt durch die Menge
der Zufaͤlle mit welchen die kriegeriſche Handlung im Kon-
takt iſt.
240. Wo Ungewißheit iſt wird das Wagen ein we-
ſentliches Element.
241. Wagen in der gewoͤhnlichen Bedeutung heißt
auf Dinge bauen die mehr unwahrſcheinlich als wahrſchein-
lich ſind. Wagen in der weiteſten Bedeutung aber heißt
Dinge vorausſetzen die nicht gewiß ſind. In dieſer letzten
Bedeutung muͤſſen wir es hier nehmen.
242. Gaͤbe es nun bei allen vorkommenden Faͤllen
eine Linie zwiſchen Wahrſcheinlichkeit und Unwahrſcheinlich-
keit, ſo koͤnnte man auf den Gedanken kommen ſie zur
Grenzlinie des Wagens zu machen, und alſo das Wagen
uͤber dieſelbe hinaus, naͤmlich das Wagen im engeren
Sinne fuͤr unzulaͤſſig zu halten.
243. Allein erſtlich waͤre eine ſolche Linie eine Chi-
maͤre, zweitens iſt der Kampf nicht bloß ein Akt der Über-
legung ſondern auch der Leidenſchaft und des Muthes.
Man kann dieſe Dinge nicht ausſchließen, wollte man ſie
aber zu ſehr beſchraͤnken, ſo wuͤrde man ſeinen eigenen
Kraͤften die ſtaͤrkſten Prinzipe nehmen und dadurch in
konſtanten Nachtheil gerathen; denn in der Mehrheit der
Faͤlle gleicht ſich das unvermeidliche haͤufige Zuruͤckbleiben
hinter der Linie nur dadurch aus daß zuweilen daruͤber
hinausgegangen wird.
244. Je guͤnſtiger die Vorausſetzungen ſind die man
macht, d. h. je mehr man wagen will, um ſo groͤßer ſind
die Erfolge welche man bei denſelben Mitteln erwartet,
alſo die Zwecke welche man ſich vorſetzt.
245. Je mehr man wagt um ſo geringer iſt die
Wahrſcheinlichkeit, alſo die Sicherheit des Erfolgs.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/339>, abgerufen am 26.04.2024.
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