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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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lange nicht ganz. O, wie wahr das ist. Er ist der
beste, liebste, tapferste Mensch, den man sich denken
kann. Und so aufrichtig! Ich bin so glücklich

Eure kleine Kläre.

Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.

O Freund, sie liebt mich wirklich, Klärchen liebt
mich! Als ich die schrecklichen Briefe bekam, die Du
mir endlich geschickt hast, -- Du mußt mir noch er¬
zählen, wie Du sie ihr entwunden, Freund, -- als
die Blätter an die Frau, die mein Herz in ihren
Händen gehalten, mir zwischen den Fingern brannten,
dacht' ich plötzlich: Wie, wenn ich sie Klärchen über¬
gebe, damit sie sieht, daß ich kein Geheimniß vor ihr
habe! Es war eine Gewaltprobe, ich wußt' es wohl,
denn wenn sie diese tollen Dinge las, wenn ihre
Neugier größer war als ihr Vertrauen, dann mußte
ich auf das Schlimmste gefaßt sein, dann stand ihre
junge Neigung sicher auf dem Spiel. Aber ich war
so unruhig, ich wollte Gewißheit haben. So sucht'
ich Klärchen auf und gab ihr die Briefe. Und was
that sie? O Freund, sie gab sie mir zurück und
sagte mit einem himmlischen Lächeln: "Es ist ja
vorbei! verbrennen Sie sie; nicht wahr, Sie wollen

lange nicht ganz. O, wie wahr das iſt. Er iſt der
beſte, liebſte, tapferſte Menſch, den man ſich denken
kann. Und ſo aufrichtig! Ich bin ſo glücklich

Eure kleine Kläre.

Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.

O Freund, ſie liebt mich wirklich, Klärchen liebt
mich! Als ich die ſchrecklichen Briefe bekam, die Du
mir endlich geſchickt haſt, — Du mußt mir noch er¬
zählen, wie Du ſie ihr entwunden, Freund, — als
die Blätter an die Frau, die mein Herz in ihren
Händen gehalten, mir zwiſchen den Fingern brannten,
dacht' ich plötzlich: Wie, wenn ich ſie Klärchen über¬
gebe, damit ſie ſieht, daß ich kein Geheimniß vor ihr
habe! Es war eine Gewaltprobe, ich wußt' es wohl,
denn wenn ſie dieſe tollen Dinge las, wenn ihre
Neugier größer war als ihr Vertrauen, dann mußte
ich auf das Schlimmſte gefaßt ſein, dann ſtand ihre
junge Neigung ſicher auf dem Spiel. Aber ich war
ſo unruhig, ich wollte Gewißheit haben. So ſucht'
ich Klärchen auf und gab ihr die Briefe. Und was
that ſie? O Freund, ſie gab ſie mir zurück und
ſagte mit einem himmliſchen Lächeln: „Es iſt ja
vorbei! verbrennen Sie ſie; nicht wahr, Sie wollen

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[263/0279] lange nicht ganz. O, wie wahr das iſt. Er iſt der beſte, liebſte, tapferſte Menſch, den man ſich denken kann. Und ſo aufrichtig! Ich bin ſo glücklich Eure kleine Kläre. Eugen Schmidthammer an Toni Emmer. Goſſenſaß, 24. April. O Freund, ſie liebt mich wirklich, Klärchen liebt mich! Als ich die ſchrecklichen Briefe bekam, die Du mir endlich geſchickt haſt, — Du mußt mir noch er¬ zählen, wie Du ſie ihr entwunden, Freund, — als die Blätter an die Frau, die mein Herz in ihren Händen gehalten, mir zwiſchen den Fingern brannten, dacht' ich plötzlich: Wie, wenn ich ſie Klärchen über¬ gebe, damit ſie ſieht, daß ich kein Geheimniß vor ihr habe! Es war eine Gewaltprobe, ich wußt' es wohl, denn wenn ſie dieſe tollen Dinge las, wenn ihre Neugier größer war als ihr Vertrauen, dann mußte ich auf das Schlimmſte gefaßt ſein, dann ſtand ihre junge Neigung ſicher auf dem Spiel. Aber ich war ſo unruhig, ich wollte Gewißheit haben. So ſucht' ich Klärchen auf und gab ihr die Briefe. Und was that ſie? O Freund, ſie gab ſie mir zurück und ſagte mit einem himmliſchen Lächeln: „Es iſt ja vorbei! verbrennen Sie ſie; nicht wahr, Sie wollen

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/279>, abgerufen am 26.04.2024.