Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ihn auf ewig von seinem Glücke zu trennen.
Er schien ihr die Sache ganz zu überlassen;
allein schon war innerlich sein Entschluß ge¬
faßt. Um nur zu Athem zu kommen, um
das bevorstehende unabsehliche Unheil der Ent¬
fernung Ottiliens abzuwenden, entschied er sich
sein Haus zu verlassen, und zwar nicht ganz
ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch
durch die Einleitung zu täuschen verstand,
daß er bey Ottiliens Abreise nicht gegenwär¬
tig seyn, ja sie von diesem Augenblick an
nicht mehr sehen wolle. Charlotte, die ge¬
wonnen zu haben glaubte, that ihm allen
Vorschub. Er befahl seine Pferde, gab dem
Kammerdiener die nöthige Anweisung was er
einpacken und wie er ihm folgen solle, und so,
wie schon im Stegreife, setzte er sich hin und
schrieb.

ihn auf ewig von ſeinem Gluͤcke zu trennen.
Er ſchien ihr die Sache ganz zu uͤberlaſſen;
allein ſchon war innerlich ſein Entſchluß ge¬
faßt. Um nur zu Athem zu kommen, um
das bevorſtehende unabſehliche Unheil der Ent¬
fernung Ottiliens abzuwenden, entſchied er ſich
ſein Haus zu verlaſſen, und zwar nicht ganz
ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch
durch die Einleitung zu taͤuſchen verſtand,
daß er bey Ottiliens Abreiſe nicht gegenwaͤr¬
tig ſeyn, ja ſie von dieſem Augenblick an
nicht mehr ſehen wolle. Charlotte, die ge¬
wonnen zu haben glaubte, that ihm allen
Vorſchub. Er befahl ſeine Pferde, gab dem
Kammerdiener die noͤthige Anweiſung was er
einpacken und wie er ihm folgen ſolle, und ſo,
wie ſchon im Stegreife, ſetzte er ſich hin und
ſchrieb.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="266"/>
ihn auf ewig von &#x017F;einem Glu&#x0364;cke zu trennen.<lb/>
Er &#x017F;chien ihr die Sache ganz zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
allein &#x017F;chon war innerlich &#x017F;ein Ent&#x017F;chluß ge¬<lb/>
faßt. Um nur zu Athem zu kommen, um<lb/>
das bevor&#x017F;tehende unab&#x017F;ehliche Unheil der Ent¬<lb/>
fernung Ottiliens abzuwenden, ent&#x017F;chied er &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;ein Haus zu verla&#x017F;&#x017F;en, und zwar nicht ganz<lb/>
ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch<lb/>
durch die Einleitung zu ta&#x0364;u&#x017F;chen ver&#x017F;tand,<lb/>
daß er bey Ottiliens Abrei&#x017F;e nicht gegenwa&#x0364;<lb/>
tig &#x017F;eyn, ja &#x017F;ie von die&#x017F;em Augenblick an<lb/>
nicht mehr &#x017F;ehen wolle. Charlotte, die ge¬<lb/>
wonnen zu haben glaubte, that ihm allen<lb/>
Vor&#x017F;chub. Er befahl &#x017F;eine Pferde, gab dem<lb/>
Kammerdiener die no&#x0364;thige Anwei&#x017F;ung was er<lb/>
einpacken und wie er ihm folgen &#x017F;olle, und &#x017F;o,<lb/>
wie &#x017F;chon im Stegreife, &#x017F;etzte er &#x017F;ich hin und<lb/>
&#x017F;chrieb.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0271] ihn auf ewig von ſeinem Gluͤcke zu trennen. Er ſchien ihr die Sache ganz zu uͤberlaſſen; allein ſchon war innerlich ſein Entſchluß ge¬ faßt. Um nur zu Athem zu kommen, um das bevorſtehende unabſehliche Unheil der Ent¬ fernung Ottiliens abzuwenden, entſchied er ſich ſein Haus zu verlaſſen, und zwar nicht ganz ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch durch die Einleitung zu taͤuſchen verſtand, daß er bey Ottiliens Abreiſe nicht gegenwaͤr¬ tig ſeyn, ja ſie von dieſem Augenblick an nicht mehr ſehen wolle. Charlotte, die ge¬ wonnen zu haben glaubte, that ihm allen Vorſchub. Er befahl ſeine Pferde, gab dem Kammerdiener die noͤthige Anweiſung was er einpacken und wie er ihm folgen ſolle, und ſo, wie ſchon im Stegreife, ſetzte er ſich hin und ſchrieb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/271
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Die Wahlverwandtschaften. Bd. 1. Tübingen, 1809, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_wahlverw01_1809/271>, abgerufen am 30.04.2024.