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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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administrative Schicksal eines Mannes, welcher als Mitglied der Opposition gegen
Abel vortreffliche Dienste geleistet hat, aber dadurch eben so wenig, wie durch
seine Leistungen oder durch sein Benehmen in schwierigen Lagen, ungeachtet der
Ehrenhaftigkeit seiner Gesinnungen und der Lauterkeit seiner Ansichten, zu dem
Range und der Gediegenheit eines Staatsmannes sich erhoben hat, dem man
die wichtigsten Interessen ohne Controle überlassen und unbedingt zu Willen geben
konnte." -- In diesen wenigen Sätzen liegen, unsres Dafürhaltens, so außer¬
ordentlich treffende Andentungen über den gauzen Charakter des Herrn von Lerchen¬
feld, daß sich daraus auch manche Dunkelheit seines parlamentarischen Lebens erklärt.
Nachdem er leidenschaftlich und gereizt als Kammerpräsident mit einem vollstän¬
digen Fiasko debutirt hatte, begann er bekanntlich den zweiten Act seiner nach-
märzlichen ParlameutScarriöre mit dem Referat über jene Adresse, welche dem
Ministerium Pfordten' von vorn herein jeden Glauben an Uebereinstimmung der
Kammer mit seiner (namentlich deutschen) Politik benehmen sollte. Damals ging
Herr v. Lerchenfeld bis zu einem gewissen Punkte noch mit der Linken, nament¬
lich in den Wünschen betreffs der deutschen Verfassungsfrage. Er sah indessen,
daß er einem starren Ministerium gegenüber stand, welches, um sich zu halten,
auch eine abermalige parlamentarische Katastrophe nicht zu scheuen schien. Um
nun trotzdem die von ihm entworfene Adresse durchzubringen, ohne an Popularität
einzubüßen, und doch auch nicht geradezu autiministeriell aufzutreten -- was that
Herr v. Lerchenfeld? Er rettete eine inhaltlose Form durch Preisgabe eines
wesentlichen Princips; er erklärte nämlich die ganze Adresse für eine bloße Form,
und erlangte die Annahme des Wunsches nach dem deutschen "Bundesstaat" durch
das Ministerium unter dieser Voraussetzung;'er begründete damit die gefährlichste
Analogie für alle.Kamiuerbcschlüsse, welche irgend dem ministeriellen Belieben eut-
gegeuliefcu; er sanctionirte dadurch zuerst in Bayern das Princip, daß das Mini¬
sterium nicht von dem Vertrauen der Volksvertreter getragen zu werden brauche.
-- Natürlich war mit diesem Schritte das Urtheil der liberalen und wirklich con-
stitutionellen Parteien über ihn entschieden. Und man mag nicht läugnen, daß
damals vielleicht kaum ein öffentlicher Charakter von einer gleichen Fluth von
Anfeindung überströmt ward, als Herr Baron Lerchenfeld. Indessen schaarte sich
gleichzeitig eine relativ große Anzahl von Deputirten um ihn. Denn die baye¬
rische politische Begeisterung war bereits erschlafft und eine große Menge bedürfte,
eiues Führers, um von der bisher betretenen oppositionellen Bahn mit einem
Scheine des Rechtes und einer gewissen Consequenz zurückzulenken in die Wege
der Beliebtheit nach oben. Es gab schon damals Viele, welche wiederum zweifel¬
haft über das bessere Gewicht einer Bürgerkrone oder eines Ordens und anderer
Auszeichnungen waren. Sie alle fanden im Namen eines Centrums ihre Zuflucht
(-- denn auch sich der Rechten zuzuzählen wagten nur entschiedene oder vollkommen
büreaukratische Charaktere --), sie alle fanden bei Herrn von Lerchenfeld gefällige


administrative Schicksal eines Mannes, welcher als Mitglied der Opposition gegen
Abel vortreffliche Dienste geleistet hat, aber dadurch eben so wenig, wie durch
seine Leistungen oder durch sein Benehmen in schwierigen Lagen, ungeachtet der
Ehrenhaftigkeit seiner Gesinnungen und der Lauterkeit seiner Ansichten, zu dem
Range und der Gediegenheit eines Staatsmannes sich erhoben hat, dem man
die wichtigsten Interessen ohne Controle überlassen und unbedingt zu Willen geben
konnte." — In diesen wenigen Sätzen liegen, unsres Dafürhaltens, so außer¬
ordentlich treffende Andentungen über den gauzen Charakter des Herrn von Lerchen¬
feld, daß sich daraus auch manche Dunkelheit seines parlamentarischen Lebens erklärt.
Nachdem er leidenschaftlich und gereizt als Kammerpräsident mit einem vollstän¬
digen Fiasko debutirt hatte, begann er bekanntlich den zweiten Act seiner nach-
märzlichen ParlameutScarriöre mit dem Referat über jene Adresse, welche dem
Ministerium Pfordten' von vorn herein jeden Glauben an Uebereinstimmung der
Kammer mit seiner (namentlich deutschen) Politik benehmen sollte. Damals ging
Herr v. Lerchenfeld bis zu einem gewissen Punkte noch mit der Linken, nament¬
lich in den Wünschen betreffs der deutschen Verfassungsfrage. Er sah indessen,
daß er einem starren Ministerium gegenüber stand, welches, um sich zu halten,
auch eine abermalige parlamentarische Katastrophe nicht zu scheuen schien. Um
nun trotzdem die von ihm entworfene Adresse durchzubringen, ohne an Popularität
einzubüßen, und doch auch nicht geradezu autiministeriell aufzutreten — was that
Herr v. Lerchenfeld? Er rettete eine inhaltlose Form durch Preisgabe eines
wesentlichen Princips; er erklärte nämlich die ganze Adresse für eine bloße Form,
und erlangte die Annahme des Wunsches nach dem deutschen „Bundesstaat" durch
das Ministerium unter dieser Voraussetzung;'er begründete damit die gefährlichste
Analogie für alle.Kamiuerbcschlüsse, welche irgend dem ministeriellen Belieben eut-
gegeuliefcu; er sanctionirte dadurch zuerst in Bayern das Princip, daß das Mini¬
sterium nicht von dem Vertrauen der Volksvertreter getragen zu werden brauche.
— Natürlich war mit diesem Schritte das Urtheil der liberalen und wirklich con-
stitutionellen Parteien über ihn entschieden. Und man mag nicht läugnen, daß
damals vielleicht kaum ein öffentlicher Charakter von einer gleichen Fluth von
Anfeindung überströmt ward, als Herr Baron Lerchenfeld. Indessen schaarte sich
gleichzeitig eine relativ große Anzahl von Deputirten um ihn. Denn die baye¬
rische politische Begeisterung war bereits erschlafft und eine große Menge bedürfte,
eiues Führers, um von der bisher betretenen oppositionellen Bahn mit einem
Scheine des Rechtes und einer gewissen Consequenz zurückzulenken in die Wege
der Beliebtheit nach oben. Es gab schon damals Viele, welche wiederum zweifel¬
haft über das bessere Gewicht einer Bürgerkrone oder eines Ordens und anderer
Auszeichnungen waren. Sie alle fanden im Namen eines Centrums ihre Zuflucht
(— denn auch sich der Rechten zuzuzählen wagten nur entschiedene oder vollkommen
büreaukratische Charaktere —), sie alle fanden bei Herrn von Lerchenfeld gefällige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/512>, abgerufen am 05.05.2024.