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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Freiligrath i" stimm Briefe-",

Beteiligung an einen, Komplot, In beiden Angelegenheiten fand eine gericht¬
liche Verhandlung in "zouwmsre.um nicht statt, sodaß diese Anklagen lebenslang
über Freiligrath schwebten.

In der "Galeeren- und Tretmnhlenarbeit." die, "deutscher Nation und Frei¬
heit zu Ehren bei John Bull übernommen," nun in London wieder begann,
ließ sich die Muße Freiligraths mir noch selten vernehmen, bei besondern An¬
lässen, wie zur Schillerfeier 1859, im Kriege 1866, oder wenn ein Familienfest
im Freundeskreise den Dichter zu einem jener humoristischen Gedichte aufmun¬
terte, vo" denen in der neuesten Gesammtausgabe köstliche Proben mitgeteilt
sind, Auch der Briefwechsel wird jetzt spärlich, wie er es schon in den voraus¬
gehende" Sturmjahren war- die Stellung, die Freiligrath in jene" Jahren
einnahm, hatte doch so manche alte Verbindung gelockert.

Wie tief er bei seinem lebhafte" Heimntsgefühl die Schwere des Exils ein
pfund, geht aus vielen Stellen des Briefwechsels hervor, und doch kaun er in
seinem knorrige" westfälischen Charakter, wie er an den einmal ergriffenen po¬
litischen Idealen festhält, so sich auch zu keinen Zugeständnissen herbeilassen.
An Karl Buchner schreibt er: "Gott weiß, lieber Freund, wie gern ich wieder
in Deutschland wäre! Diese letzten sechs Jahre haben mich recht gelehrt, was
die Heimat mir ist, und was ich, fern vo" ihr, entbehre! Ich bin so deutsch
geworden, daß ich das Exil wirklich nur hier, im germanischen England, möglich
und erträglich finde ^aber auch nur erträglich) -- und dennoch kann ich mich
zu Schritten, wie Sie anzudeuten scheinen, nicht entschließen. Ich müßte also
doch petitivuireu, ich müßte also doch wenigstens Versprechungen geben! Das
geht nicht! , . Mich und uns alle kann nur die Revolution wieder nach Deutsch¬
land bringen! Thut sie's nicht, ist sie überhaupt tot, oder erhebt sie ihr Haupt
erst wieder, wen" das unsrige längst unterm Rasen liegt, so bin ich resignirt,
und hoffe die Kraft i" mir zu tragen, das Unabänderliche, selbst Heraufbe¬
schworene ausdauern zu können -- bis ans Ende!" Auch die Amnestie König
Wilhelms vom Jahre 1861 konnte bei der eigentümlichen Lage Freiligraths,
der weder verurteilt "och freigesprochen war. diesen starren Sinn nicht brechen:
"Die preußische "Amnestie" ist für mich rein illusorisch. Ich müßte mich, jenem
"Gnadenerlaß" zufolge, bei meiner Rückkehr erst noch verurteilen und sodann
durch den Justizminister speziell der "Gnade" des Königs empfehlen lassen. Das
kann mir natürlich nicht tonveniren, und so darf ich denn anch keine Pläne
machen, Waldluft bei euch zu trinken,"

Trotz alledem bewahrte das gute deutsche Herz den Dichter, der sich auch
von dem uuergnicklichen Treiben der deutschen Emigration in London fernhielt,
vor jener Verbitterung und schroffen Stellung, in die Exilirte nur zu leicht
hineingeraten, Als Auerbach bei Gelegenheit der von Freiligrath veranstalteten
Anthologie "Dichtung und Dichter" wieder mit letzterm anknüpft, antwortet ihm
Freiligrath hocherfreut: "Bedarf es nun noch erst der Versicherung, lieber


Freiligrath i» stimm Briefe-»,

Beteiligung an einen, Komplot, In beiden Angelegenheiten fand eine gericht¬
liche Verhandlung in «zouwmsre.um nicht statt, sodaß diese Anklagen lebenslang
über Freiligrath schwebten.

In der „Galeeren- und Tretmnhlenarbeit." die, „deutscher Nation und Frei¬
heit zu Ehren bei John Bull übernommen," nun in London wieder begann,
ließ sich die Muße Freiligraths mir noch selten vernehmen, bei besondern An¬
lässen, wie zur Schillerfeier 1859, im Kriege 1866, oder wenn ein Familienfest
im Freundeskreise den Dichter zu einem jener humoristischen Gedichte aufmun¬
terte, vo» denen in der neuesten Gesammtausgabe köstliche Proben mitgeteilt
sind, Auch der Briefwechsel wird jetzt spärlich, wie er es schon in den voraus¬
gehende» Sturmjahren war- die Stellung, die Freiligrath in jene» Jahren
einnahm, hatte doch so manche alte Verbindung gelockert.

Wie tief er bei seinem lebhafte» Heimntsgefühl die Schwere des Exils ein
pfund, geht aus vielen Stellen des Briefwechsels hervor, und doch kaun er in
seinem knorrige» westfälischen Charakter, wie er an den einmal ergriffenen po¬
litischen Idealen festhält, so sich auch zu keinen Zugeständnissen herbeilassen.
An Karl Buchner schreibt er: „Gott weiß, lieber Freund, wie gern ich wieder
in Deutschland wäre! Diese letzten sechs Jahre haben mich recht gelehrt, was
die Heimat mir ist, und was ich, fern vo» ihr, entbehre! Ich bin so deutsch
geworden, daß ich das Exil wirklich nur hier, im germanischen England, möglich
und erträglich finde ^aber auch nur erträglich) — und dennoch kann ich mich
zu Schritten, wie Sie anzudeuten scheinen, nicht entschließen. Ich müßte also
doch petitivuireu, ich müßte also doch wenigstens Versprechungen geben! Das
geht nicht! , . Mich und uns alle kann nur die Revolution wieder nach Deutsch¬
land bringen! Thut sie's nicht, ist sie überhaupt tot, oder erhebt sie ihr Haupt
erst wieder, wen» das unsrige längst unterm Rasen liegt, so bin ich resignirt,
und hoffe die Kraft i» mir zu tragen, das Unabänderliche, selbst Heraufbe¬
schworene ausdauern zu können — bis ans Ende!" Auch die Amnestie König
Wilhelms vom Jahre 1861 konnte bei der eigentümlichen Lage Freiligraths,
der weder verurteilt »och freigesprochen war. diesen starren Sinn nicht brechen:
„Die preußische »Amnestie« ist für mich rein illusorisch. Ich müßte mich, jenem
»Gnadenerlaß« zufolge, bei meiner Rückkehr erst noch verurteilen und sodann
durch den Justizminister speziell der »Gnade« des Königs empfehlen lassen. Das
kann mir natürlich nicht tonveniren, und so darf ich denn anch keine Pläne
machen, Waldluft bei euch zu trinken,"

Trotz alledem bewahrte das gute deutsche Herz den Dichter, der sich auch
von dem uuergnicklichen Treiben der deutschen Emigration in London fernhielt,
vor jener Verbitterung und schroffen Stellung, in die Exilirte nur zu leicht
hineingeraten, Als Auerbach bei Gelegenheit der von Freiligrath veranstalteten
Anthologie „Dichtung und Dichter" wieder mit letzterm anknüpft, antwortet ihm
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/660>, abgerufen am 16.06.2024.