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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

Mensch; nur soviel kann man wohl mit Bestimmtheit voraussagen, daß auch
Japan auf dem Friedenskongresse seine Rechnung präsentieren und seine Ansprüche
zum Teil wenigstens auch durchsetzen wird. Zu diesen wird aber in erster
Linie die Abtretung von Kiautschau oder, falls dieses -- wie wir hoffen --
an Deutschland zurückgegeben wird, die Überlassung irgendeines anderen
Stückes von China gehören. Der hierdurch entstehenden Gefahren für China
und der notwendigerweise aus der Besetzung folgenden Gefährdung der
amerikanischen Interessen ist bereits oben gedacht worden.

Daß die Einwanderungsfrage nach dem Kriege leichter zu lösen sein wird,
läßt sich mit Fug und Recht bezweifeln. Durch den schändlichen Verrat
Englands an der weißen Rasse und durch die dringenden Hilferufe um Japans
Unterstützung auf den europäischen Schlachtfeldern von feiten der Verbündeten
wird das schon ohnehin starke Selbstbewußtsein und Nationalgefühl der Japaner
in bedeutendem Maße noch erhöht werden. Die Folgen der Erkenntnis von
den Schwächen der weißen Rasse werden aber auch in der Haltung Japans
in der Einwandererfrage den Vereinigten Staaten gegenüber bald zutage
treten. Mit größerer Schärfe wird die japanische Regierung nach dem Kriege
die Gleichstellung der japanischen Einwanderer mit denen anderer Länder fordern
und nicht ruhen, bis dem durch die Zurücksetzung aufs tiefste verletzten japanischen
Stolze volle Genugtuung verschafft ist.

Wie wollen die Amerikaner die Rassenftage dann lösen? Weder ein
internationales Schiedsgericht noch ein nationaler Gerichtshof irgendeines
Landes ist imstande, eine derartige Frage zu lösen, wenn zwei große und
mächtige Staaten als Vertreter der beiden Rassen austreten.

Von ganz besonderer Bedeutung aber ist die Besetzung der deutschen
Südseeinseln durch die Japaner. Durch die Besetzung der Mariannen, Karolinen-
und Marschall - Inseln ist Japan Amerika bedeutend näher gerückt, näher, als
es den Amerikanern lieb sein kann. Zugleich aber ist es die erste Festsetzung
der gelben Weltmacht in der Südsee, die erste Etappe auf dem Wege nach
dem amerikanischen Erdteil.

Die sich hieraus für die Vereinigten Staaten ergebenden Gefahren scheint
man auch in Washington allmählich einzusehen und richtiger einzuschätzen, als
dies bisher der Fall war.

Bis in die neueste Zeit glaubte man sich vor Japan ziemlich sicher. Man
wies auf die alte Freundschaft der beiden Länder hin, auf die engen Handels¬
beziehungen und vor allem auf die Dankbarkeit, die die Japaner ihren Lehrern,
den Amerikanern schuldeten. Alljährlich kämen Hunderte japanischer Studenten
nach den Vereinigten Staaten, um an den dortigen Universitäten und Schulen
amerikanische Wissenschaft und amerikanischen Geist in sich aufzunehmen. Auch
erwähnt man mit Vorliebe die Festreden großer japanischer Persönlichkeiten auf
Kongressen und Banketten, die man in der Union ihnen zu Ehren veranstaltete.
Danach scheint es allerdings, als ob es keine besseren Freunde geben


Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan

Mensch; nur soviel kann man wohl mit Bestimmtheit voraussagen, daß auch
Japan auf dem Friedenskongresse seine Rechnung präsentieren und seine Ansprüche
zum Teil wenigstens auch durchsetzen wird. Zu diesen wird aber in erster
Linie die Abtretung von Kiautschau oder, falls dieses — wie wir hoffen —
an Deutschland zurückgegeben wird, die Überlassung irgendeines anderen
Stückes von China gehören. Der hierdurch entstehenden Gefahren für China
und der notwendigerweise aus der Besetzung folgenden Gefährdung der
amerikanischen Interessen ist bereits oben gedacht worden.

Daß die Einwanderungsfrage nach dem Kriege leichter zu lösen sein wird,
läßt sich mit Fug und Recht bezweifeln. Durch den schändlichen Verrat
Englands an der weißen Rasse und durch die dringenden Hilferufe um Japans
Unterstützung auf den europäischen Schlachtfeldern von feiten der Verbündeten
wird das schon ohnehin starke Selbstbewußtsein und Nationalgefühl der Japaner
in bedeutendem Maße noch erhöht werden. Die Folgen der Erkenntnis von
den Schwächen der weißen Rasse werden aber auch in der Haltung Japans
in der Einwandererfrage den Vereinigten Staaten gegenüber bald zutage
treten. Mit größerer Schärfe wird die japanische Regierung nach dem Kriege
die Gleichstellung der japanischen Einwanderer mit denen anderer Länder fordern
und nicht ruhen, bis dem durch die Zurücksetzung aufs tiefste verletzten japanischen
Stolze volle Genugtuung verschafft ist.

Wie wollen die Amerikaner die Rassenftage dann lösen? Weder ein
internationales Schiedsgericht noch ein nationaler Gerichtshof irgendeines
Landes ist imstande, eine derartige Frage zu lösen, wenn zwei große und
mächtige Staaten als Vertreter der beiden Rassen austreten.

Von ganz besonderer Bedeutung aber ist die Besetzung der deutschen
Südseeinseln durch die Japaner. Durch die Besetzung der Mariannen, Karolinen-
und Marschall - Inseln ist Japan Amerika bedeutend näher gerückt, näher, als
es den Amerikanern lieb sein kann. Zugleich aber ist es die erste Festsetzung
der gelben Weltmacht in der Südsee, die erste Etappe auf dem Wege nach
dem amerikanischen Erdteil.

Die sich hieraus für die Vereinigten Staaten ergebenden Gefahren scheint
man auch in Washington allmählich einzusehen und richtiger einzuschätzen, als
dies bisher der Fall war.

Bis in die neueste Zeit glaubte man sich vor Japan ziemlich sicher. Man
wies auf die alte Freundschaft der beiden Länder hin, auf die engen Handels¬
beziehungen und vor allem auf die Dankbarkeit, die die Japaner ihren Lehrern,
den Amerikanern schuldeten. Alljährlich kämen Hunderte japanischer Studenten
nach den Vereinigten Staaten, um an den dortigen Universitäten und Schulen
amerikanische Wissenschaft und amerikanischen Geist in sich aufzunehmen. Auch
erwähnt man mit Vorliebe die Festreden großer japanischer Persönlichkeiten auf
Kongressen und Banketten, die man in der Union ihnen zu Ehren veranstaltete.
Danach scheint es allerdings, als ob es keine besseren Freunde geben


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[0059] Die vereinigten Staaten von Amerika und Japan Mensch; nur soviel kann man wohl mit Bestimmtheit voraussagen, daß auch Japan auf dem Friedenskongresse seine Rechnung präsentieren und seine Ansprüche zum Teil wenigstens auch durchsetzen wird. Zu diesen wird aber in erster Linie die Abtretung von Kiautschau oder, falls dieses — wie wir hoffen — an Deutschland zurückgegeben wird, die Überlassung irgendeines anderen Stückes von China gehören. Der hierdurch entstehenden Gefahren für China und der notwendigerweise aus der Besetzung folgenden Gefährdung der amerikanischen Interessen ist bereits oben gedacht worden. Daß die Einwanderungsfrage nach dem Kriege leichter zu lösen sein wird, läßt sich mit Fug und Recht bezweifeln. Durch den schändlichen Verrat Englands an der weißen Rasse und durch die dringenden Hilferufe um Japans Unterstützung auf den europäischen Schlachtfeldern von feiten der Verbündeten wird das schon ohnehin starke Selbstbewußtsein und Nationalgefühl der Japaner in bedeutendem Maße noch erhöht werden. Die Folgen der Erkenntnis von den Schwächen der weißen Rasse werden aber auch in der Haltung Japans in der Einwandererfrage den Vereinigten Staaten gegenüber bald zutage treten. Mit größerer Schärfe wird die japanische Regierung nach dem Kriege die Gleichstellung der japanischen Einwanderer mit denen anderer Länder fordern und nicht ruhen, bis dem durch die Zurücksetzung aufs tiefste verletzten japanischen Stolze volle Genugtuung verschafft ist. Wie wollen die Amerikaner die Rassenftage dann lösen? Weder ein internationales Schiedsgericht noch ein nationaler Gerichtshof irgendeines Landes ist imstande, eine derartige Frage zu lösen, wenn zwei große und mächtige Staaten als Vertreter der beiden Rassen austreten. Von ganz besonderer Bedeutung aber ist die Besetzung der deutschen Südseeinseln durch die Japaner. Durch die Besetzung der Mariannen, Karolinen- und Marschall - Inseln ist Japan Amerika bedeutend näher gerückt, näher, als es den Amerikanern lieb sein kann. Zugleich aber ist es die erste Festsetzung der gelben Weltmacht in der Südsee, die erste Etappe auf dem Wege nach dem amerikanischen Erdteil. Die sich hieraus für die Vereinigten Staaten ergebenden Gefahren scheint man auch in Washington allmählich einzusehen und richtiger einzuschätzen, als dies bisher der Fall war. Bis in die neueste Zeit glaubte man sich vor Japan ziemlich sicher. Man wies auf die alte Freundschaft der beiden Länder hin, auf die engen Handels¬ beziehungen und vor allem auf die Dankbarkeit, die die Japaner ihren Lehrern, den Amerikanern schuldeten. Alljährlich kämen Hunderte japanischer Studenten nach den Vereinigten Staaten, um an den dortigen Universitäten und Schulen amerikanische Wissenschaft und amerikanischen Geist in sich aufzunehmen. Auch erwähnt man mit Vorliebe die Festreden großer japanischer Persönlichkeiten auf Kongressen und Banketten, die man in der Union ihnen zu Ehren veranstaltete. Danach scheint es allerdings, als ob es keine besseren Freunde geben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/59>, abgerufen am 01.11.2024.