mich sanft hinüberwiegen ins Land der Ruhe. Meine Betti, die all' meine Leiden mit mit theilet, ist untröstlich, ist vermache sie Dir als das liebste, was ich nach Dir zurüklasse, auch meine Bücher und Briefe wird sie Dir einhändigen -- Sie hat treu- lich bei mir geduldet, gelitten sogar; o, wie freute sich das gute Mädchen, ein Lächeln auf meinem ver- grämten Gesicht zu erzwingen! es war ein Sonnen- blik, der unterm düstern Flor der Wolken hindurch- schimmert; hätte sie's vermocht, es wäre nicht bei Sonnenblikken geblieben. Aber so ist alles dahin -- auch jezt überfällt mich eine Mattigkeit, Vorboten des Fiebers, die Feder entgleitet der schlaffen Hand, und vielleicht werde ich sie nie wieder rühren, Dir nicht mehr sagen, wie sehr ich Dich liebe. Jch habe nur noch wenig Kräfte zuzusezzen, der Arzt hat we- nig Hofnung, und hätte er sie, warlich ich könnte ihm gram werden; aber ich fühle es zu gut, daß ich reif zur Sichel, zur Aernte bin. --
Nun das Glük schwebe mit sanften Fittigen auf Dich hernieder, Freundin meiner Jugend! und schütte sein reichliches Maas von Freude und Wonne auf Dich herab! tröste Dich über meinen Verlust, eine Träne der Freundschaft, und das Andenken in Deinem Herzen, ist genug; denn sieh! sobald ich entkörvert bin, bin ich glüklich, der Gedanke muß dich erheitern, und deinen Schmerz stumm machen.
mich ſanft hinuͤberwiegen ins Land der Ruhe. Meine Betti, die all’ meine Leiden mit mit theilet, iſt untroͤſtlich, iſt vermache ſie Dir als das liebſte, was ich nach Dir zuruͤklaſſe, auch meine Buͤcher und Briefe wird ſie Dir einhaͤndigen — Sie hat treu- lich bei mir geduldet, gelitten ſogar; o, wie freute ſich das gute Maͤdchen, ein Laͤcheln auf meinem ver- graͤmten Geſicht zu erzwingen! es war ein Sonnen- blik, der unterm duͤſtern Flor der Wolken hindurch- ſchimmert; haͤtte ſie’s vermocht, es waͤre nicht bei Sonnenblikken geblieben. Aber ſo iſt alles dahin — auch jezt uͤberfaͤllt mich eine Mattigkeit, Vorboten des Fiebers, die Feder entgleitet der ſchlaffen Hand, und vielleicht werde ich ſie nie wieder ruͤhren, Dir nicht mehr ſagen, wie ſehr ich Dich liebe. Jch habe nur noch wenig Kraͤfte zuzuſezzen, der Arzt hat we- nig Hofnung, und haͤtte er ſie, warlich ich koͤnnte ihm gram werden; aber ich fuͤhle es zu gut, daß ich reif zur Sichel, zur Aernte bin. —
Nun das Gluͤk ſchwebe mit ſanften Fittigen auf Dich hernieder, Freundin meiner Jugend! und ſchuͤtte ſein reichliches Maas von Freude und Wonne auf Dich herab! troͤſte Dich uͤber meinen Verluſt, eine Traͤne der Freundſchaft, und das Andenken in Deinem Herzen, iſt genug; denn ſieh! ſobald ich entkoͤrvert bin, bin ich gluͤklich, der Gedanke muß dich erheitern, und deinen Schmerz ſtumm machen.
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mich ſanft hinuͤberwiegen ins Land der Ruhe.
Meine Betti, die all’ meine Leiden mit mit theilet,
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was ich nach Dir zuruͤklaſſe, auch meine Buͤcher und
Briefe wird ſie Dir einhaͤndigen — Sie hat treu-
lich bei mir geduldet, gelitten ſogar; o, wie freute
ſich das gute Maͤdchen, ein Laͤcheln auf meinem ver-
graͤmten Geſicht zu erzwingen! es war ein Sonnen-
blik, der unterm duͤſtern Flor der Wolken hindurch-
ſchimmert; haͤtte ſie’s vermocht, es waͤre nicht bei
Sonnenblikken geblieben. Aber ſo iſt alles dahin —
auch jezt uͤberfaͤllt mich eine Mattigkeit, Vorboten
des Fiebers, die Feder entgleitet der ſchlaffen Hand,
und vielleicht werde ich ſie nie wieder ruͤhren, Dir
nicht mehr ſagen, wie ſehr ich Dich liebe. Jch habe
nur noch wenig Kraͤfte zuzuſezzen, der Arzt hat we-
nig Hofnung, und haͤtte er ſie, warlich ich koͤnnte
ihm gram werden; aber ich fuͤhle es zu gut, daß ich
reif zur Sichel, zur Aernte bin. —
Nun das Gluͤk ſchwebe mit ſanften Fittigen auf
Dich hernieder, Freundin meiner Jugend! und
ſchuͤtte ſein reichliches Maas von Freude und Wonne
auf Dich herab! troͤſte Dich uͤber meinen Verluſt, eine
Traͤne der Freundſchaft, und das Andenken in
Deinem Herzen, iſt genug; denn ſieh! ſobald ich
entkoͤrvert bin, bin ich gluͤklich, der Gedanke muß
dich erheitern, und deinen Schmerz ſtumm machen.
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Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/110>, abgerufen am 30.04.2024.
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