ihm gutdünkte, und daß einer überhaupt seine Rache so weit treiben durfte wie er wollte.
Hier nun trat die Obrigkeit, oder vielleicht die Ge- sellschaft ins Mittel und sprach:
Lieben Freunde! Eure Rache hat kein Ziel, es treten erst Männer gegen Männer, dann Familien gegen Familien, und zuletzt Bundesgenossen gegen Bun- desgenossen auf, und jedes Blut was vergossen wird, vermerht eure Wuth, die zuletzt nicht anders als durch den völligen Untergang der einen oder andern Parthey gestillet werden kann. Dieses Unglück wird unsern Staat zu Grunde richten, oder wir müssen der Privatrache Ziel setzen, und dieses kann nicht besser geschehn, als wenn wir ein Gesetz machen: daß alle Rache der Obrigkeit oder der Gesellschaft überlassen, und wer sich hieran nicht halten will, von uns mit gesammter Hand als ein wilder Mensch verbannet und verfolget werden soll.
Und wie ihr hierauf die lärmende Menge antwortete: Was? wir sollten das edelste Kleinod unserer Frey- heit, das Recht uns selbst Recht zu verschaffen, auf- geben? wir sollten den Dieb, der uns unser sauer erworbnes Gut raubt, nicht würgen? wir sollten dem Bösewicht, der unsre Ehre angreift, nicht den Dolch in die falsche Brust stoßen, wir sollten den Mörder unsrer Kinder, Freunde und Verwandte nicht bis zum Grabe verfolgen dürfen? ja so gar gezwungen werden, dieses unser Recht einer ruhigen kalten Hand zu überlassen, die sich vielleicht nicht rührte, wenn wir von Eifer brennen, oder wohl gar nur suchte unsern Zorn mit Hülfe der Zeit zu schwächen, um her- nach den Verbrecher in der Stille begnadigen zu kön- nen? Nimmermehr kann und darf dieses geschehn,
so
J 2
Ueber die Todesſtrafen.
ihm gutduͤnkte, und daß einer uͤberhaupt ſeine Rache ſo weit treiben durfte wie er wollte.
Hier nun trat die Obrigkeit, oder vielleicht die Ge- ſellſchaft ins Mittel und ſprach:
Lieben Freunde! Eure Rache hat kein Ziel, es treten erſt Maͤnner gegen Maͤnner, dann Familien gegen Familien, und zuletzt Bundesgenoſſen gegen Bun- desgenoſſen auf, und jedes Blut was vergoſſen wird, vermerht eure Wuth, die zuletzt nicht anders als durch den voͤlligen Untergang der einen oder andern Parthey geſtillet werden kann. Dieſes Ungluͤck wird unſern Staat zu Grunde richten, oder wir muͤſſen der Privatrache Ziel ſetzen, und dieſes kann nicht beſſer geſchehn, als wenn wir ein Geſetz machen: daß alle Rache der Obrigkeit oder der Geſellſchaft uͤberlaſſen, und wer ſich hieran nicht halten will, von uns mit geſammter Hand als ein wilder Menſch verbannet und verfolget werden ſoll.
Und wie ihr hierauf die laͤrmende Menge antwortete: Was? wir ſollten das edelſte Kleinod unſerer Frey- heit, das Recht uns ſelbſt Recht zu verſchaffen, auf- geben? wir ſollten den Dieb, der uns unſer ſauer erworbnes Gut raubt, nicht wuͤrgen? wir ſollten dem Boͤſewicht, der unſre Ehre angreift, nicht den Dolch in die falſche Bruſt ſtoßen, wir ſollten den Moͤrder unſrer Kinder, Freunde und Verwandte nicht bis zum Grabe verfolgen duͤrfen? ja ſo gar gezwungen werden, dieſes unſer Recht einer ruhigen kalten Hand zu uͤberlaſſen, die ſich vielleicht nicht ruͤhrte, wenn wir von Eifer brennen, oder wohl gar nur ſuchte unſern Zorn mit Huͤlfe der Zeit zu ſchwaͤchen, um her- nach den Verbrecher in der Stille begnadigen zu koͤn- nen? Nimmermehr kann und darf dieſes geſchehn,
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Ueber die Todesſtrafen.
ihm gutduͤnkte, und daß einer uͤberhaupt ſeine Rache ſo
weit treiben durfte wie er wollte.
Hier nun trat die Obrigkeit, oder vielleicht die Ge-
ſellſchaft ins Mittel und ſprach:
Lieben Freunde! Eure Rache hat kein Ziel, es treten
erſt Maͤnner gegen Maͤnner, dann Familien gegen
Familien, und zuletzt Bundesgenoſſen gegen Bun-
desgenoſſen auf, und jedes Blut was vergoſſen wird,
vermerht eure Wuth, die zuletzt nicht anders als
durch den voͤlligen Untergang der einen oder andern
Parthey geſtillet werden kann. Dieſes Ungluͤck wird
unſern Staat zu Grunde richten, oder wir muͤſſen
der Privatrache Ziel ſetzen, und dieſes kann nicht
beſſer geſchehn, als wenn wir ein Geſetz machen:
daß alle Rache der Obrigkeit oder der Geſellſchaft
uͤberlaſſen, und wer ſich hieran nicht halten will,
von uns mit geſammter Hand als ein wilder Menſch
verbannet und verfolget werden ſoll.
Und wie ihr hierauf die laͤrmende Menge antwortete:
Was? wir ſollten das edelſte Kleinod unſerer Frey-
heit, das Recht uns ſelbſt Recht zu verſchaffen, auf-
geben? wir ſollten den Dieb, der uns unſer ſauer
erworbnes Gut raubt, nicht wuͤrgen? wir ſollten
dem Boͤſewicht, der unſre Ehre angreift, nicht den
Dolch in die falſche Bruſt ſtoßen, wir ſollten den
Moͤrder unſrer Kinder, Freunde und Verwandte
nicht bis zum Grabe verfolgen duͤrfen? ja ſo gar
gezwungen werden, dieſes unſer Recht einer ruhigen
kalten Hand zu uͤberlaſſen, die ſich vielleicht nicht ruͤhrte,
wenn wir von Eifer brennen, oder wohl gar nur ſuchte
unſern Zorn mit Huͤlfe der Zeit zu ſchwaͤchen, um her-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/143>, abgerufen am 02.05.2024.
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