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Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] ist übrigens auch von allen Rednern, die wir hörten, ausdrücklich
anerkannt worden, nur daß ein Jeder den Punkt derselben einige
Schritte weiter vorwärts und rückwärts suchte, und es scheint
mir von einer sehr guten Vorbedeutung, daß von keiner Seite
her die absolute Vertheidigung eines von vorn herein angenom-
menenen Grundsatzes versucht wurde.

Unter den verschiedenen Eingaben, welche der Nationalver-
sammlung übergeben werden, möchte folgende, von Professor
Gfrörer abgefaßte, und bereits mit einer Zahl von Unterschriften
anderer Reichsabgeordneten versehene die Aufmerksamkeit Deutsch-
lands und Jtaliens in hohem Grade in Anspruch nehmen. Jch
theile Jhnen den Jnhalt wörtlich mit, und bemerke bloß, daß nach
der Stimmung zu schließen, diese Eingabe im Schooße der Ver-
sammlung schwerlich auf erheblichen Widerstand stoßen wird. Die
Eingabe lautet: "Jn Anbetracht, daß das deutsche Reich uralte
durch die Thatkraft unseres Volks und unserer Kaiser erworbene
Ansprüche auf Lombardien besitzt, Ansprüche, welche seit dem
Verfalle des Reichs an das Haus Oesterreich übergingen und von
demselben bis zu letzter Zeit behauptet wurden; in Anbetracht,
daß diese Rechte umsoweniger aufgegeben werden dürfen, jemehr
von ihrer Wahrung das Wohl deutscher Stammländer abhängt;
in Anbetracht, daß Venedig ein natürlicher Stapelplatz Schwa-
bens und der mittleren Rheinlande, insbesondere der alten Han-
delsstädte Köln, Mainz, Frankfurt, Heilbronn, Ulm, Augsburg,
Constanz, Kaufbeuern, Memmingen, Kempten, Lindau, sowie der
neu entstandenen Mannheim, Stuttgart, Cannstatt, Friedrichs-
hafen ist, und daß besagte Städte einen bedeutenden Ver-
lust erleiden müßten, wenn Venedig fremden Mächten zufiele;
in Anbetracht ferner, daß Venedig von uns nicht in die Länge
und mit Sicherheit behauptet werden kann, wenn nicht die
Linie des Mincio sammt den Hauptfestungen Verona und Man-
tua, sowie sammt den kleineren Plätzen Peschiera und Legnago
in deutschen Händen sich befindet; in Anbetracht endlich, daß
beides, sowohl die Gerechtigkeit und die herrschenden Jdeen der
neuen Zeit, als auch die Klugheit anrathen, Venedig durch wohl-
thätige Maßregeln an Deutschland zu fesseln, beantragen Endes-
unterzeichnete, hohe Reichsversammlung wolle mit Entschiedenheit
sich in folgendem Sinn aussprechen: 1 ) wenn auch die österreichi-
sche Regierung dem Drange der Umstände weichend bei gegen-
wärtig obschwebenden Friedensverhandlungen bestimmt würde
Lombardien im engeren Sinn des Wortes, d, h. das ehemalige
Herzogthum Mailand sammt Anhängseln abzutreten, so möge doch
nie das obenerwähnte vom Gardasee, dem Mincio, dem Po und
dem adriatischen Meer umschlossene Gebiet aufgegeben, sondern
im Gegentheil bei der alten Verbindung mit Deutschland nach-
drücklichst bewahrt werden; 2 ) möge dieselbe Regierung der Ge-
meinde Venedig die Rechte eines Freihafens und einer deutschen
Reichsstadt verleihen, doch letzteres in der Art, daß durch
solche Gewährung nicht die Hoheit des Reichs beeinträchtigt werde,
was z. B. nie zu fürchten stünde, wenn neben dem freien Rathe
stets ein hoher Reichsbeamter sammt einer genügenden deutschen
Besatzung zu Venedig seinen Sitz hätte. Frankfurt a. M. 7. Juli
1848." Folgen die Unterschriften.

Frankfurt 14. Juli. Se. Maj. der König von Württemberg,
JJ. kk. HH. die Großherzoge von Baden und von Hessen und
JJ. kk. HH. die Herzoge von Nassau und von Sachsen=Meinin-
gen sind gestern hier eingetroffen; heute werden Se. Maj. der
König von Bayern hier erwartet.

Wien 9. Juli. 4 Uhr Abends. ( A. Z. ) Doblhoff hat noch
kein Ministerium beisammen, und auch -- wie man mit Erstaunen
erfährt -- vom Erzherzog keine Vollmacht ein interimistisches zu
bilden. Der Erzherzog ist nach Frankfurt gestern sammt Wessen-
berg abgereist. Wir sind also factisch ohne Regierung, denn
Doblhoff muß vom Erzherzog die Bestätigung der Jnterimsmini-
ster einholen. Uebeigens ist die Ruhe musterhaft. Wir Wiener
sind an Dinge gewöhnt, daß ein Ministerwechsel nur eine
Spielerei für uns ist. Aber die Provinzen? Unsere Ruhe
ist die vor dem Sturme! Der Sicherheitsausschuß ( so nennt
man ihn allgemein, obwohl er protestirt ) hat außerordent-
liche Verdienste, er hat wirklich Unglaubliches geleistet, und,
wohlgemerkt, kein einziges Mitglied hat irgend eine Entschädigung
für seine nun schon so lange dauernde Aufopferung; aber seit er
sich in allgemein politische Fragen einläßt, statt auf locale zu be-
schränken, sank er in der öffentlichen Meinung und rief die hef-
tigsten Reclamationen in den Provinzen hervor. Also Doblhoff!
Ein gediegener Charakter, ein ganzer Mann, voll Kenntnisse,
aber sehr feurig; wird er im Conflict mit den Helden des Tages
die nöthige Ruhe behalten? Pillersdorff lavirte -- Doblhoff
bohrt in den Grund, wem werden die Gestirne günstiger seyn?
Gestern war eine Revolte unter den Arrestanten im Criminalge-
fängniß, die aber gedämpft wurde. Die Selbstmorde wachsen
[Spaltenumbruch] wie die Pilze, die litterarischen gleichfalls -- der Journale näm-
lich. Seit den Jdus des März sind über 70 entstanden und der
Staatsanwalt hat bereits 480 Preßprocesse bei sich liegen, aber
der Muth fehlt ihm auch nur mit Einem vorzutreten! Gott
besser's!

sqrt Berlin 11. Juli. Der Antrag des Königsberger Jo-
hannes Jacoby,
über welchen in den preußischen Blättern
schon so viel hin und her gesprochen worden ist, lautet wie
folgt: "Die preußische constituirende Versammlung kann den von
der deutschen Nationalversammlung gefaßten Beschluß nicht billi-
gen, durch welchen ein unverantwortlicher, an die Be-
schlüsse der Nationalversammlung nicht gebundener Reichsver-
weser
ernannt wird; die preußische constituirende Versammlung
erklärt sich aber zugleich dahin, daß die deutsche Nationalver-
sammlung vollkommen befugt war, jenen Beschluß zu fassen,
ohne vorher die Zustimmung der einzelnen deutschen Regierungen
einzuholen; daß es daher der preußischen Regierung nicht zustand,
Vorbehalte irgend einer Art zu machen." Was soll ich Jhnen
für ein Urtheil darüber abgeben? Keines, und am allerwenigsten
ein ausführlich motivirtes, denn schon ein Kind sieht ein, daß der
gute Königsberger Doctor mit dieser Spiegelfechterei zwei
Gewalten, den Reichstag und die preußische Regierung, mit
einem Schlage tödten wollte, womit allerdings den Anar-
chisten sehr viel, allen wahren Freunden unseres Vater-
landes aber sehr wenig gedient gewesen wäre. Heute kam denn
nun der Antrag in der Nationalversammlung zur Bera-
thung, nachdem man vorher schon die Massen gehörig für die
Jacoby'sche Weisheit zu bearbeiten gesucht hatte. Die Sache steht
indessen jetzt so, daß, nachdem viele Redner dafür und dagegen
( am Entschiedensten die Abgeordneten Reichensperger und
von Berg ) gesprochen hatten, derselbe aller Wahrscheinlichkeit
nach in der Nationalversammlung mit wenigstens 300 Stimmen
wird verworfen werden. Hätte sich das Ministerium ohne allen
Rückhalt den Frankfurter Beschlüssen gefügt, so wäre wenigstens
der Scandal vermieden worden. Bedenklich sieht es auf den
Straßen aus und die Anarchistenpartei gibt sich alle Mühe, einen
Handstreich gegen die Nationalversammlung herbeizuführen, wo-
für man wahrscheinlich neulich, als die Linke Reißaus genommen,
die Zeit noch nicht reif genug gefunden hatte.

Jn Schlesien hat der Reichsverweser bei seiner Durchreise
allgemein einen sehr guten Eindruck gemacht. "Eine große statt-
liche Figur ( was übrigens nicht ganz richtig ist ) , heißt es daselbst,
mit soldatischem Anstande. Die Stirn ist hochgewölbt und frei,
das Haupt mit dem unverkennbar habsburgischen Profil umgibt
ein Kranz von dünnem und schlichtem grauen Haar. Das blaue
Auge blickt Güte und Aufrichtigkeit. Die Gesichtszüge, deren Haupt-
gepräge Biederkeit und Milde sind, verrathen nichtsdestoweniger,
besonders wenn der Erzherzog spricht, Stetigkeit und Willens-
kraft. Die Kleidung des Reichsverwesers ist höchst einfach, durch
nichts von der äußern Erscheinung eines wohlhabenden Bürgers
unterschieden. Es wird nicht schwer, an der körperlichen Haltung
den vom Alter noch nicht besiegten, rüstigen Soldaten und Gems-
jäger zu erkennen. Obschon eine nächtliche Reise voraufging, und
die Empfangsfeierlichkeiten fast auf jeder Station in einer ermü-
denden Gleichförmigkeit sich wiederholten, hat der Erzherzog doch
nur in Oderberg eine Tasse Kaffee angenommen, und bleibt im
Uebrigen, seine jüngere Umgebung beschämend, so rüstig, daß er
in gleicher freundlicher Weise auf allen Haltpunkten der Bahn-
züge für eine Menge von Personen herzliche und kräftige Worte
zu spenden vermag. Es ist leicht, mit diesem Manne vom Herzen
weg zu reden, und er scheint es gern zu sehen, wenn alle Förm-
lichkeiten im Gespräche mit ihm beseitigt werden. Dies bewies er
in Oderberg, wo ein an sich so höchst einfacher Vorgang alle Um-
stehenden eben durch seine Einfachheit rührte. Ein tyroler Weib
nämlich trat den Erzherzog mit den Worten an: " Na, grüß'
Di God Johannes, was machschst Du?
" -- " Es geht
mir gut,
" antwortete der Angeredete, und fragte: " wo bist
Du her?
" -- "Aus dem Freundlithal." -- " Was treibst
Du hier?
" -- "J handle mit Schnittwaaren." " Nun, " so
schloß Johann das Gespräch, " mög' es Dir gut gehen
mit Deinem Handel, und wenn Du heimkehrst, so
grüß' mir Deine Landsleute.
" Die Reise des Erzherzogs
glich einem Triumphzuge. Ueberall ward er mit Enthusiasmus
empfangen. Ueberall hatten sich Behörden und Bürgerwehr zum
Empfange auf den Perrons der Bahnhöfe aufgestellt. So in
Ratibor, Kosel, Oppeln, Löwen, Brieg, Ohlau,
Breslau.

Stettin 9. Juli ( Br. Z. ) Der Prinz von Preußen hat dem
Oberpräsidenten seine Ankunft bald in Aussicht gestellt, weil er
seiner Sehnsucht, Pommern zu sehen, nicht länger
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ist übrigens auch von allen Rednern, die wir hörten, ausdrücklich
anerkannt worden, nur daß ein Jeder den Punkt derselben einige
Schritte weiter vorwärts und rückwärts suchte, und es scheint
mir von einer sehr guten Vorbedeutung, daß von keiner Seite
her die absolute Vertheidigung eines von vorn herein angenom-
menenen Grundsatzes versucht wurde.

Unter den verschiedenen Eingaben, welche der Nationalver-
sammlung übergeben werden, möchte folgende, von Professor
Gfrörer abgefaßte, und bereits mit einer Zahl von Unterschriften
anderer Reichsabgeordneten versehene die Aufmerksamkeit Deutsch-
lands und Jtaliens in hohem Grade in Anspruch nehmen. Jch
theile Jhnen den Jnhalt wörtlich mit, und bemerke bloß, daß nach
der Stimmung zu schließen, diese Eingabe im Schooße der Ver-
sammlung schwerlich auf erheblichen Widerstand stoßen wird. Die
Eingabe lautet: „Jn Anbetracht, daß das deutsche Reich uralte
durch die Thatkraft unseres Volks und unserer Kaiser erworbene
Ansprüche auf Lombardien besitzt, Ansprüche, welche seit dem
Verfalle des Reichs an das Haus Oesterreich übergingen und von
demselben bis zu letzter Zeit behauptet wurden; in Anbetracht,
daß diese Rechte umsoweniger aufgegeben werden dürfen, jemehr
von ihrer Wahrung das Wohl deutscher Stammländer abhängt;
in Anbetracht, daß Venedig ein natürlicher Stapelplatz Schwa-
bens und der mittleren Rheinlande, insbesondere der alten Han-
delsstädte Köln, Mainz, Frankfurt, Heilbronn, Ulm, Augsburg,
Constanz, Kaufbeuern, Memmingen, Kempten, Lindau, sowie der
neu entstandenen Mannheim, Stuttgart, Cannstatt, Friedrichs-
hafen ist, und daß besagte Städte einen bedeutenden Ver-
lust erleiden müßten, wenn Venedig fremden Mächten zufiele;
in Anbetracht ferner, daß Venedig von uns nicht in die Länge
und mit Sicherheit behauptet werden kann, wenn nicht die
Linie des Mincio sammt den Hauptfestungen Verona und Man-
tua, sowie sammt den kleineren Plätzen Peschiera und Legnago
in deutschen Händen sich befindet; in Anbetracht endlich, daß
beides, sowohl die Gerechtigkeit und die herrschenden Jdeen der
neuen Zeit, als auch die Klugheit anrathen, Venedig durch wohl-
thätige Maßregeln an Deutschland zu fesseln, beantragen Endes-
unterzeichnete, hohe Reichsversammlung wolle mit Entschiedenheit
sich in folgendem Sinn aussprechen: 1 ) wenn auch die österreichi-
sche Regierung dem Drange der Umstände weichend bei gegen-
wärtig obschwebenden Friedensverhandlungen bestimmt würde
Lombardien im engeren Sinn des Wortes, d, h. das ehemalige
Herzogthum Mailand sammt Anhängseln abzutreten, so möge doch
nie das obenerwähnte vom Gardasee, dem Mincio, dem Po und
dem adriatischen Meer umschlossene Gebiet aufgegeben, sondern
im Gegentheil bei der alten Verbindung mit Deutschland nach-
drücklichst bewahrt werden; 2 ) möge dieselbe Regierung der Ge-
meinde Venedig die Rechte eines Freihafens und einer deutschen
Reichsstadt verleihen, doch letzteres in der Art, daß durch
solche Gewährung nicht die Hoheit des Reichs beeinträchtigt werde,
was z. B. nie zu fürchten stünde, wenn neben dem freien Rathe
stets ein hoher Reichsbeamter sammt einer genügenden deutschen
Besatzung zu Venedig seinen Sitz hätte. Frankfurt a. M. 7. Juli
1848.“ Folgen die Unterschriften.

Frankfurt 14. Juli. Se. Maj. der König von Württemberg,
JJ. kk. HH. die Großherzoge von Baden und von Hessen und
JJ. kk. HH. die Herzoge von Nassau und von Sachsen=Meinin-
gen sind gestern hier eingetroffen; heute werden Se. Maj. der
König von Bayern hier erwartet.

Wien 9. Juli. 4 Uhr Abends. ( A. Z. ) Doblhoff hat noch
kein Ministerium beisammen, und auch — wie man mit Erstaunen
erfährt — vom Erzherzog keine Vollmacht ein interimistisches zu
bilden. Der Erzherzog ist nach Frankfurt gestern sammt Wessen-
berg abgereist. Wir sind also factisch ohne Regierung, denn
Doblhoff muß vom Erzherzog die Bestätigung der Jnterimsmini-
ster einholen. Uebeigens ist die Ruhe musterhaft. Wir Wiener
sind an Dinge gewöhnt, daß ein Ministerwechsel nur eine
Spielerei für uns ist. Aber die Provinzen? Unsere Ruhe
ist die vor dem Sturme! Der Sicherheitsausschuß ( so nennt
man ihn allgemein, obwohl er protestirt ) hat außerordent-
liche Verdienste, er hat wirklich Unglaubliches geleistet, und,
wohlgemerkt, kein einziges Mitglied hat irgend eine Entschädigung
für seine nun schon so lange dauernde Aufopferung; aber seit er
sich in allgemein politische Fragen einläßt, statt auf locale zu be-
schränken, sank er in der öffentlichen Meinung und rief die hef-
tigsten Reclamationen in den Provinzen hervor. Also Doblhoff!
Ein gediegener Charakter, ein ganzer Mann, voll Kenntnisse,
aber sehr feurig; wird er im Conflict mit den Helden des Tages
die nöthige Ruhe behalten? Pillersdorff lavirte — Doblhoff
bohrt in den Grund, wem werden die Gestirne günstiger seyn?
Gestern war eine Revolte unter den Arrestanten im Criminalge-
fängniß, die aber gedämpft wurde. Die Selbstmorde wachsen
[Spaltenumbruch] wie die Pilze, die litterarischen gleichfalls — der Journale näm-
lich. Seit den Jdus des März sind über 70 entstanden und der
Staatsanwalt hat bereits 480 Preßprocesse bei sich liegen, aber
der Muth fehlt ihm auch nur mit Einem vorzutreten! Gott
besser's!

√ Berlin 11. Juli. Der Antrag des Königsberger Jo-
hannes Jacoby,
über welchen in den preußischen Blättern
schon so viel hin und her gesprochen worden ist, lautet wie
folgt: „Die preußische constituirende Versammlung kann den von
der deutschen Nationalversammlung gefaßten Beschluß nicht billi-
gen, durch welchen ein unverantwortlicher, an die Be-
schlüsse der Nationalversammlung nicht gebundener Reichsver-
weser
ernannt wird; die preußische constituirende Versammlung
erklärt sich aber zugleich dahin, daß die deutsche Nationalver-
sammlung vollkommen befugt war, jenen Beschluß zu fassen,
ohne vorher die Zustimmung der einzelnen deutschen Regierungen
einzuholen; daß es daher der preußischen Regierung nicht zustand,
Vorbehalte irgend einer Art zu machen.“ Was soll ich Jhnen
für ein Urtheil darüber abgeben? Keines, und am allerwenigsten
ein ausführlich motivirtes, denn schon ein Kind sieht ein, daß der
gute Königsberger Doctor mit dieser Spiegelfechterei zwei
Gewalten, den Reichstag und die preußische Regierung, mit
einem Schlage tödten wollte, womit allerdings den Anar-
chisten sehr viel, allen wahren Freunden unseres Vater-
landes aber sehr wenig gedient gewesen wäre. Heute kam denn
nun der Antrag in der Nationalversammlung zur Bera-
thung, nachdem man vorher schon die Massen gehörig für die
Jacoby'sche Weisheit zu bearbeiten gesucht hatte. Die Sache steht
indessen jetzt so, daß, nachdem viele Redner dafür und dagegen
( am Entschiedensten die Abgeordneten Reichensperger und
von Berg ) gesprochen hatten, derselbe aller Wahrscheinlichkeit
nach in der Nationalversammlung mit wenigstens 300 Stimmen
wird verworfen werden. Hätte sich das Ministerium ohne allen
Rückhalt den Frankfurter Beschlüssen gefügt, so wäre wenigstens
der Scandal vermieden worden. Bedenklich sieht es auf den
Straßen aus und die Anarchistenpartei gibt sich alle Mühe, einen
Handstreich gegen die Nationalversammlung herbeizuführen, wo-
für man wahrscheinlich neulich, als die Linke Reißaus genommen,
die Zeit noch nicht reif genug gefunden hatte.

Jn Schlesien hat der Reichsverweser bei seiner Durchreise
allgemein einen sehr guten Eindruck gemacht. „Eine große statt-
liche Figur ( was übrigens nicht ganz richtig ist ) , heißt es daselbst,
mit soldatischem Anstande. Die Stirn ist hochgewölbt und frei,
das Haupt mit dem unverkennbar habsburgischen Profil umgibt
ein Kranz von dünnem und schlichtem grauen Haar. Das blaue
Auge blickt Güte und Aufrichtigkeit. Die Gesichtszüge, deren Haupt-
gepräge Biederkeit und Milde sind, verrathen nichtsdestoweniger,
besonders wenn der Erzherzog spricht, Stetigkeit und Willens-
kraft. Die Kleidung des Reichsverwesers ist höchst einfach, durch
nichts von der äußern Erscheinung eines wohlhabenden Bürgers
unterschieden. Es wird nicht schwer, an der körperlichen Haltung
den vom Alter noch nicht besiegten, rüstigen Soldaten und Gems-
jäger zu erkennen. Obschon eine nächtliche Reise voraufging, und
die Empfangsfeierlichkeiten fast auf jeder Station in einer ermü-
denden Gleichförmigkeit sich wiederholten, hat der Erzherzog doch
nur in Oderberg eine Tasse Kaffee angenommen, und bleibt im
Uebrigen, seine jüngere Umgebung beschämend, so rüstig, daß er
in gleicher freundlicher Weise auf allen Haltpunkten der Bahn-
züge für eine Menge von Personen herzliche und kräftige Worte
zu spenden vermag. Es ist leicht, mit diesem Manne vom Herzen
weg zu reden, und er scheint es gern zu sehen, wenn alle Förm-
lichkeiten im Gespräche mit ihm beseitigt werden. Dies bewies er
in Oderberg, wo ein an sich so höchst einfacher Vorgang alle Um-
stehenden eben durch seine Einfachheit rührte. Ein tyroler Weib
nämlich trat den Erzherzog mit den Worten an: „ Na, grüß'
Di God Johannes, was machschst Du?
“ — „ Es geht
mir gut,
“ antwortete der Angeredete, und fragte: „ wo bist
Du her?
“ — „Aus dem Freundlithal.“ — „ Was treibst
Du hier?
“ — „J handle mit Schnittwaaren.“ „ Nun, “ so
schloß Johann das Gespräch, „ mög' es Dir gut gehen
mit Deinem Handel, und wenn Du heimkehrst, so
grüß' mir Deine Landsleute.
“ Die Reise des Erzherzogs
glich einem Triumphzuge. Ueberall ward er mit Enthusiasmus
empfangen. Ueberall hatten sich Behörden und Bürgerwehr zum
Empfange auf den Perrons der Bahnhöfe aufgestellt. So in
Ratibor, Kosel, Oppeln, Löwen, Brieg, Ohlau,
Breslau.

Stettin 9. Juli ( Br. Z. ) Der Prinz von Preußen hat dem
Oberpräsidenten seine Ankunft bald in Aussicht gestellt, weil er
seiner Sehnsucht, Pommern zu sehen, nicht länger
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[0002] ist übrigens auch von allen Rednern, die wir hörten, ausdrücklich anerkannt worden, nur daß ein Jeder den Punkt derselben einige Schritte weiter vorwärts und rückwärts suchte, und es scheint mir von einer sehr guten Vorbedeutung, daß von keiner Seite her die absolute Vertheidigung eines von vorn herein angenom- menenen Grundsatzes versucht wurde. Unter den verschiedenen Eingaben, welche der Nationalver- sammlung übergeben werden, möchte folgende, von Professor Gfrörer abgefaßte, und bereits mit einer Zahl von Unterschriften anderer Reichsabgeordneten versehene die Aufmerksamkeit Deutsch- lands und Jtaliens in hohem Grade in Anspruch nehmen. Jch theile Jhnen den Jnhalt wörtlich mit, und bemerke bloß, daß nach der Stimmung zu schließen, diese Eingabe im Schooße der Ver- sammlung schwerlich auf erheblichen Widerstand stoßen wird. Die Eingabe lautet: „Jn Anbetracht, daß das deutsche Reich uralte durch die Thatkraft unseres Volks und unserer Kaiser erworbene Ansprüche auf Lombardien besitzt, Ansprüche, welche seit dem Verfalle des Reichs an das Haus Oesterreich übergingen und von demselben bis zu letzter Zeit behauptet wurden; in Anbetracht, daß diese Rechte umsoweniger aufgegeben werden dürfen, jemehr von ihrer Wahrung das Wohl deutscher Stammländer abhängt; in Anbetracht, daß Venedig ein natürlicher Stapelplatz Schwa- bens und der mittleren Rheinlande, insbesondere der alten Han- delsstädte Köln, Mainz, Frankfurt, Heilbronn, Ulm, Augsburg, Constanz, Kaufbeuern, Memmingen, Kempten, Lindau, sowie der neu entstandenen Mannheim, Stuttgart, Cannstatt, Friedrichs- hafen ist, und daß besagte Städte einen bedeutenden Ver- lust erleiden müßten, wenn Venedig fremden Mächten zufiele; in Anbetracht ferner, daß Venedig von uns nicht in die Länge und mit Sicherheit behauptet werden kann, wenn nicht die Linie des Mincio sammt den Hauptfestungen Verona und Man- tua, sowie sammt den kleineren Plätzen Peschiera und Legnago in deutschen Händen sich befindet; in Anbetracht endlich, daß beides, sowohl die Gerechtigkeit und die herrschenden Jdeen der neuen Zeit, als auch die Klugheit anrathen, Venedig durch wohl- thätige Maßregeln an Deutschland zu fesseln, beantragen Endes- unterzeichnete, hohe Reichsversammlung wolle mit Entschiedenheit sich in folgendem Sinn aussprechen: 1 ) wenn auch die österreichi- sche Regierung dem Drange der Umstände weichend bei gegen- wärtig obschwebenden Friedensverhandlungen bestimmt würde Lombardien im engeren Sinn des Wortes, d, h. das ehemalige Herzogthum Mailand sammt Anhängseln abzutreten, so möge doch nie das obenerwähnte vom Gardasee, dem Mincio, dem Po und dem adriatischen Meer umschlossene Gebiet aufgegeben, sondern im Gegentheil bei der alten Verbindung mit Deutschland nach- drücklichst bewahrt werden; 2 ) möge dieselbe Regierung der Ge- meinde Venedig die Rechte eines Freihafens und einer deutschen Reichsstadt verleihen, doch letzteres in der Art, daß durch solche Gewährung nicht die Hoheit des Reichs beeinträchtigt werde, was z. B. nie zu fürchten stünde, wenn neben dem freien Rathe stets ein hoher Reichsbeamter sammt einer genügenden deutschen Besatzung zu Venedig seinen Sitz hätte. Frankfurt a. M. 7. Juli 1848.“ Folgen die Unterschriften. Frankfurt 14. Juli. Se. Maj. der König von Württemberg, JJ. kk. HH. die Großherzoge von Baden und von Hessen und JJ. kk. HH. die Herzoge von Nassau und von Sachsen=Meinin- gen sind gestern hier eingetroffen; heute werden Se. Maj. der König von Bayern hier erwartet. Wien 9. Juli. 4 Uhr Abends. ( A. Z. ) Doblhoff hat noch kein Ministerium beisammen, und auch — wie man mit Erstaunen erfährt — vom Erzherzog keine Vollmacht ein interimistisches zu bilden. Der Erzherzog ist nach Frankfurt gestern sammt Wessen- berg abgereist. Wir sind also factisch ohne Regierung, denn Doblhoff muß vom Erzherzog die Bestätigung der Jnterimsmini- ster einholen. Uebeigens ist die Ruhe musterhaft. Wir Wiener sind an Dinge gewöhnt, daß ein Ministerwechsel nur eine Spielerei für uns ist. Aber die Provinzen? Unsere Ruhe ist die vor dem Sturme! Der Sicherheitsausschuß ( so nennt man ihn allgemein, obwohl er protestirt ) hat außerordent- liche Verdienste, er hat wirklich Unglaubliches geleistet, und, wohlgemerkt, kein einziges Mitglied hat irgend eine Entschädigung für seine nun schon so lange dauernde Aufopferung; aber seit er sich in allgemein politische Fragen einläßt, statt auf locale zu be- schränken, sank er in der öffentlichen Meinung und rief die hef- tigsten Reclamationen in den Provinzen hervor. Also Doblhoff! Ein gediegener Charakter, ein ganzer Mann, voll Kenntnisse, aber sehr feurig; wird er im Conflict mit den Helden des Tages die nöthige Ruhe behalten? Pillersdorff lavirte — Doblhoff bohrt in den Grund, wem werden die Gestirne günstiger seyn? Gestern war eine Revolte unter den Arrestanten im Criminalge- fängniß, die aber gedämpft wurde. Die Selbstmorde wachsen wie die Pilze, die litterarischen gleichfalls — der Journale näm- lich. Seit den Jdus des März sind über 70 entstanden und der Staatsanwalt hat bereits 480 Preßprocesse bei sich liegen, aber der Muth fehlt ihm auch nur mit Einem vorzutreten! Gott besser's! √ Berlin 11. Juli. Der Antrag des Königsberger Jo- hannes Jacoby, über welchen in den preußischen Blättern schon so viel hin und her gesprochen worden ist, lautet wie folgt: „Die preußische constituirende Versammlung kann den von der deutschen Nationalversammlung gefaßten Beschluß nicht billi- gen, durch welchen ein unverantwortlicher, an die Be- schlüsse der Nationalversammlung nicht gebundener Reichsver- weser ernannt wird; die preußische constituirende Versammlung erklärt sich aber zugleich dahin, daß die deutsche Nationalver- sammlung vollkommen befugt war, jenen Beschluß zu fassen, ohne vorher die Zustimmung der einzelnen deutschen Regierungen einzuholen; daß es daher der preußischen Regierung nicht zustand, Vorbehalte irgend einer Art zu machen.“ Was soll ich Jhnen für ein Urtheil darüber abgeben? Keines, und am allerwenigsten ein ausführlich motivirtes, denn schon ein Kind sieht ein, daß der gute Königsberger Doctor mit dieser Spiegelfechterei zwei Gewalten, den Reichstag und die preußische Regierung, mit einem Schlage tödten wollte, womit allerdings den Anar- chisten sehr viel, allen wahren Freunden unseres Vater- landes aber sehr wenig gedient gewesen wäre. Heute kam denn nun der Antrag in der Nationalversammlung zur Bera- thung, nachdem man vorher schon die Massen gehörig für die Jacoby'sche Weisheit zu bearbeiten gesucht hatte. Die Sache steht indessen jetzt so, daß, nachdem viele Redner dafür und dagegen ( am Entschiedensten die Abgeordneten Reichensperger und von Berg ) gesprochen hatten, derselbe aller Wahrscheinlichkeit nach in der Nationalversammlung mit wenigstens 300 Stimmen wird verworfen werden. Hätte sich das Ministerium ohne allen Rückhalt den Frankfurter Beschlüssen gefügt, so wäre wenigstens der Scandal vermieden worden. Bedenklich sieht es auf den Straßen aus und die Anarchistenpartei gibt sich alle Mühe, einen Handstreich gegen die Nationalversammlung herbeizuführen, wo- für man wahrscheinlich neulich, als die Linke Reißaus genommen, die Zeit noch nicht reif genug gefunden hatte. Jn Schlesien hat der Reichsverweser bei seiner Durchreise allgemein einen sehr guten Eindruck gemacht. „Eine große statt- liche Figur ( was übrigens nicht ganz richtig ist ) , heißt es daselbst, mit soldatischem Anstande. Die Stirn ist hochgewölbt und frei, das Haupt mit dem unverkennbar habsburgischen Profil umgibt ein Kranz von dünnem und schlichtem grauen Haar. Das blaue Auge blickt Güte und Aufrichtigkeit. Die Gesichtszüge, deren Haupt- gepräge Biederkeit und Milde sind, verrathen nichtsdestoweniger, besonders wenn der Erzherzog spricht, Stetigkeit und Willens- kraft. Die Kleidung des Reichsverwesers ist höchst einfach, durch nichts von der äußern Erscheinung eines wohlhabenden Bürgers unterschieden. Es wird nicht schwer, an der körperlichen Haltung den vom Alter noch nicht besiegten, rüstigen Soldaten und Gems- jäger zu erkennen. Obschon eine nächtliche Reise voraufging, und die Empfangsfeierlichkeiten fast auf jeder Station in einer ermü- denden Gleichförmigkeit sich wiederholten, hat der Erzherzog doch nur in Oderberg eine Tasse Kaffee angenommen, und bleibt im Uebrigen, seine jüngere Umgebung beschämend, so rüstig, daß er in gleicher freundlicher Weise auf allen Haltpunkten der Bahn- züge für eine Menge von Personen herzliche und kräftige Worte zu spenden vermag. Es ist leicht, mit diesem Manne vom Herzen weg zu reden, und er scheint es gern zu sehen, wenn alle Förm- lichkeiten im Gespräche mit ihm beseitigt werden. Dies bewies er in Oderberg, wo ein an sich so höchst einfacher Vorgang alle Um- stehenden eben durch seine Einfachheit rührte. Ein tyroler Weib nämlich trat den Erzherzog mit den Worten an: „ Na, grüß' Di God Johannes, was machschst Du? “ — „ Es geht mir gut, “ antwortete der Angeredete, und fragte: „ wo bist Du her? “ — „Aus dem Freundlithal.“ — „ Was treibst Du hier? “ — „J handle mit Schnittwaaren.“ „ Nun, “ so schloß Johann das Gespräch, „ mög' es Dir gut gehen mit Deinem Handel, und wenn Du heimkehrst, so grüß' mir Deine Landsleute. “ Die Reise des Erzherzogs glich einem Triumphzuge. Ueberall ward er mit Enthusiasmus empfangen. Ueberall hatten sich Behörden und Bürgerwehr zum Empfange auf den Perrons der Bahnhöfe aufgestellt. So in Ratibor, Kosel, Oppeln, Löwen, Brieg, Ohlau, Breslau. Stettin 9. Juli ( Br. Z. ) Der Prinz von Preußen hat dem Oberpräsidenten seine Ankunft bald in Aussicht gestellt, weil er seiner Sehnsucht, Pommern zu sehen, nicht länger

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 30. Mainz, 15. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal030_1848/2>, abgerufen am 26.04.2024.