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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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gegen; der Flötenist aber jenem Abend, wo er,
wie er sagte, wie ein Finke geblendet pfeife.


Nro.16. Bergguhr.

Sonntag eines Dichters.

Walt sezte sich schon im Bette auf, als die
Spizen der Abendberge und der Thürme dunkel¬
roth vor der frühen July-Sonne standen, und
verrichtete sein Morgengebet, worinn er Gott
für seine Zukunft dankte. Die Welt war noch
leise, an den Gebürgen verlief das Nachtmeer
still, ferne Entzückungen oder Paradiesvögel
flogen stumm auf den Sonntag zu. Walt hät¬
te sich gefürchtet, seine namenlose Wonne laut
zu machen, wenn's nicht vor Gott gewesen
wäre. Er begann nun den Doppelroman. Es
ist bekannt genug, daß unter allen Kapiteln
keine seeliger geschrieben werden (auch oft ge¬
lesen) als das erste und dann das lezte, gleich¬
sam auch ein Sonntag und ein Sonnabend. Be¬
sonders erfrischt' es ihn, daß er nun einmal oh¬
ne allen juristischen Gewissens- biß auf dem

gegen; der Floͤteniſt aber jenem Abend, wo er,
wie er ſagte, wie ein Finke geblendet pfeife.


Nro.16. Bergguhr.

Sonntag eines Dichters.

Walt ſezte ſich ſchon im Bette auf, als die
Spizen der Abendberge und der Thuͤrme dunkel¬
roth vor der fruͤhen July-Sonne ſtanden, und
verrichtete ſein Morgengebet, worinn er Gott
fuͤr ſeine Zukunft dankte. Die Welt war noch
leiſe, an den Gebuͤrgen verlief das Nachtmeer
ſtill, ferne Entzuͤckungen oder Paradiesvoͤgel
flogen ſtumm auf den Sonntag zu. Walt haͤt¬
te ſich gefuͤrchtet, ſeine namenloſe Wonne laut
zu machen, wenn's nicht vor Gott geweſen
waͤre. Er begann nun den Doppelroman. Es
iſt bekannt genug, daß unter allen Kapiteln
keine ſeeliger geſchrieben werden (auch oft ge¬
leſen) als das erſte und dann das lezte, gleich¬
ſam auch ein Sonntag und ein Sonnabend. Be¬
ſonders erfriſcht' es ihn, daß er nun einmal oh¬
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[206/0216] gegen; der Floͤteniſt aber jenem Abend, wo er, wie er ſagte, wie ein Finke geblendet pfeife. Nro.16. Bergguhr. Sonntag eines Dichters. Walt ſezte ſich ſchon im Bette auf, als die Spizen der Abendberge und der Thuͤrme dunkel¬ roth vor der fruͤhen July-Sonne ſtanden, und verrichtete ſein Morgengebet, worinn er Gott fuͤr ſeine Zukunft dankte. Die Welt war noch leiſe, an den Gebuͤrgen verlief das Nachtmeer ſtill, ferne Entzuͤckungen oder Paradiesvoͤgel flogen ſtumm auf den Sonntag zu. Walt haͤt¬ te ſich gefuͤrchtet, ſeine namenloſe Wonne laut zu machen, wenn's nicht vor Gott geweſen waͤre. Er begann nun den Doppelroman. Es iſt bekannt genug, daß unter allen Kapiteln keine ſeeliger geſchrieben werden (auch oft ge¬ leſen) als das erſte und dann das lezte, gleich¬ ſam auch ein Sonntag und ein Sonnabend. Be¬ ſonders erfriſcht' es ihn, daß er nun einmal oh¬ ne allen juriſtiſchen Gewiſſens- biß auf dem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/216>, abgerufen am 26.04.2024.