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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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Erster Schalttag.

Müssen Traktaten gehalten werden, oder ist es genug, daß
man sie macht? --


Das letztere. -- Heute exerzirt der Berghauptmann
zum erstenmal auf des Lesers Grund und Boden
das Recht (Servitus projiciendi cloaci), das er nach
dem Vertrag vom 4ten Mai wirklich besitzt. Die Haupt¬
frage ist jetzt, ob ein Hunds-Vertrag zwischen zwey
so grossen Mächten -- indem der Leser alle Welt¬
theile hat und ich wieder den Leser -- nach dem
Schliessen noch zu halten sey.

Friedrich, der Antimachiavellist, antwortet uns
und stützt sich auf den Machiavell: allerdings muß
jeder von uns sein Wort so lange halten, als er --
Nutzen davon hat. Dieses ist so wahr, daß sogar
solche Traktaten nicht gebrochen würden, wenn sie
gar nicht -- geschlossen wären; und die Schweizer,
die noch 1715. einen mit Frankreich beschworen,
hätten eben so gut in allen Kantons die Finger auf¬
heben und beeidigen können, daß sie alle Tage or¬
dentlich -- ihr Wasser lassen wollten.

Erſter Schalttag.

Muͤſſen Traktaten gehalten werden, oder iſt es genug, daß
man ſie macht? —


Das letztere. — Heute exerzirt der Berghauptmann
zum erſtenmal auf des Leſers Grund und Boden
das Recht (Servitus projiciendi cloaci), das er nach
dem Vertrag vom 4ten Mai wirklich beſitzt. Die Haupt¬
frage iſt jetzt, ob ein Hunds-Vertrag zwiſchen zwey
ſo groſſen Maͤchten — indem der Leſer alle Welt¬
theile hat und ich wieder den Leſer — nach dem
Schlieſſen noch zu halten ſey.

Friedrich, der Antimachiavelliſt, antwortet uns
und ſtuͤtzt ſich auf den Machiavell: allerdings muß
jeder von uns ſein Wort ſo lange halten, als er —
Nutzen davon hat. Dieſes iſt ſo wahr, daß ſogar
ſolche Traktaten nicht gebrochen wuͤrden, wenn ſie
gar nicht — geſchloſſen waͤren; und die Schweizer,
die noch 1715. einen mit Frankreich beſchworen,
haͤtten eben ſo gut in allen Kantons die Finger auf¬
heben und beeidigen koͤnnen, daß ſie alle Tage or¬
dentlich — ihr Waſſer laſſen wollten.

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[207/0218] Erſter Schalttag. Muͤſſen Traktaten gehalten werden, oder iſt es genug, daß man ſie macht? — Das letztere. — Heute exerzirt der Berghauptmann zum erſtenmal auf des Leſers Grund und Boden das Recht (Servitus projiciendi cloaci), das er nach dem Vertrag vom 4ten Mai wirklich beſitzt. Die Haupt¬ frage iſt jetzt, ob ein Hunds-Vertrag zwiſchen zwey ſo groſſen Maͤchten — indem der Leſer alle Welt¬ theile hat und ich wieder den Leſer — nach dem Schlieſſen noch zu halten ſey. Friedrich, der Antimachiavelliſt, antwortet uns und ſtuͤtzt ſich auf den Machiavell: allerdings muß jeder von uns ſein Wort ſo lange halten, als er — Nutzen davon hat. Dieſes iſt ſo wahr, daß ſogar ſolche Traktaten nicht gebrochen wuͤrden, wenn ſie gar nicht — geſchloſſen waͤren; und die Schweizer, die noch 1715. einen mit Frankreich beſchworen, haͤtten eben ſo gut in allen Kantons die Finger auf¬ heben und beeidigen koͤnnen, daß ſie alle Tage or¬ dentlich — ihr Waſſer laſſen wollten.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/218>, abgerufen am 30.04.2024.