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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

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könnten anderst denken als du; und man muß nie
eine Gewalt die man hat aus den Händen lassen:
wenn man meynt man habe das Recht nicht dazu,
so kann man sie so lang man will nicht brauchen,
und das ist doch denn ja genug.

So wie er den Karl erzieht, ist er sicher, daß
er nicht anders denken wird, sagte Sylvia.

Der General erwiederte, das gehört izt nicht
hieher. --

Und Arner -- Onkle! man thut gewiß am
Besten, man lasse einem jeden seine Rechte, wie
man die seinigen auch gern hat.

Sylvia erwiederte, das ist nicht geredt. Die
Bauern haben keine Rechte; ihre Rechte sind nur
Gnadensachen.

General. Völlig so ist es doch auch nicht.

Arner. Und wenns auch wäre, so wär es
nicht für mich. Die Bauern machen so widrige
Gesichter wenn man ihnen ihre Rechte nimmt, daß
ich auch nur kein Roß im Stall haben möchte, das
den Kopf und das Maul hängen, und Augen ma-
chen würde wie dergleichen Bauern. --

Sylvia. Die Roßordnung und die Bauern-
ordnung lassen sich nicht miteinander vergleichen.

Arner. Ihr meynet etwa, man könnte nicht
bestehen, wenn man die Bauern so gut halten wür-
de als die Pferde? --

koͤnnten anderſt denken als du; und man muß nie
eine Gewalt die man hat aus den Haͤnden laſſen:
wenn man meynt man habe das Recht nicht dazu,
ſo kann man ſie ſo lang man will nicht brauchen,
und das iſt doch denn ja genug.

So wie er den Karl erzieht, iſt er ſicher, daß
er nicht anders denken wird, ſagte Sylvia.

Der General erwiederte, das gehoͤrt izt nicht
hieher. —

Und Arner — Onkle! man thut gewiß am
Beſten, man laſſe einem jeden ſeine Rechte, wie
man die ſeinigen auch gern hat.

Sylvia erwiederte, das iſt nicht geredt. Die
Bauern haben keine Rechte; ihre Rechte ſind nur
Gnadenſachen.

General. Voͤllig ſo iſt es doch auch nicht.

Arner. Und wenns auch waͤre, ſo waͤr es
nicht fuͤr mich. Die Bauern machen ſo widrige
Geſichter wenn man ihnen ihre Rechte nimmt, daß
ich auch nur kein Roß im Stall haben moͤchte, das
den Kopf und das Maul haͤngen, und Augen ma-
chen wuͤrde wie dergleichen Bauern. —

Sylvia. Die Roßordnung und die Bauern-
ordnung laſſen ſich nicht miteinander vergleichen.

Arner. Ihr meynet etwa, man koͤnnte nicht
beſtehen, wenn man die Bauern ſo gut halten wuͤr-
de als die Pferde? —

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[11/0029] koͤnnten anderſt denken als du; und man muß nie eine Gewalt die man hat aus den Haͤnden laſſen: wenn man meynt man habe das Recht nicht dazu, ſo kann man ſie ſo lang man will nicht brauchen, und das iſt doch denn ja genug. So wie er den Karl erzieht, iſt er ſicher, daß er nicht anders denken wird, ſagte Sylvia. Der General erwiederte, das gehoͤrt izt nicht hieher. — Und Arner — Onkle! man thut gewiß am Beſten, man laſſe einem jeden ſeine Rechte, wie man die ſeinigen auch gern hat. Sylvia erwiederte, das iſt nicht geredt. Die Bauern haben keine Rechte; ihre Rechte ſind nur Gnadenſachen. General. Voͤllig ſo iſt es doch auch nicht. Arner. Und wenns auch waͤre, ſo waͤr es nicht fuͤr mich. Die Bauern machen ſo widrige Geſichter wenn man ihnen ihre Rechte nimmt, daß ich auch nur kein Roß im Stall haben moͤchte, das den Kopf und das Maul haͤngen, und Augen ma- chen wuͤrde wie dergleichen Bauern. — Sylvia. Die Roßordnung und die Bauern- ordnung laſſen ſich nicht miteinander vergleichen. Arner. Ihr meynet etwa, man koͤnnte nicht beſtehen, wenn man die Bauern ſo gut halten wuͤr- de als die Pferde? —

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/29>, abgerufen am 26.04.2024.