Der Pfafheit gebundener Sinn nähret das Laster -- und des Gözendiensts sinnenbehagliche Feyer ist wie Minnengesang jedem Naturtrieb. --
Trügerin! du fragst das Waislin, kennst du meinen Gott? Und den Unterdrückten, kannst du meinen Glauben auswendig?
Auch deine Liebe ist an deinen Gözen gebun- den. Du zerreißest die Bande des Friedens ob ei- nem einzigen Wort. --
Du bindest die Sicherheit und den Wohlstand des Staats, wie das Allmosen des Bettlers, mit Gefährde an deiner Meynungen Dienst. --
Du verunglimpfest außer ihm alle Quellen der Weisheit, und des häuslichen und bürgerlichen Wohls, und nennest deinen Glauben den allein se- ligmachenden. --
Heuchlerin! du sagst, du verdammest nicht! was sollen denn die andern, wenn nicht selig machen?
Wann du redst, so hast du Vorbehalt in dei- ner Seele (Reservatio mentalis.)
Du wehest die Fahne des Mords, als wären sie Fahnen der Liebe.
Kennerin des Elends --! du rufest die Ver- wahrloseten zu deinem truglichen Trost -- du lo-
Der Pfafheit gebundener Sinn naͤhret das Laſter — und des Goͤzendienſts ſinnenbehagliche Feyer iſt wie Minnengeſang jedem Naturtrieb. —
Truͤgerin! du fragſt das Waiſlin, kennſt du meinen Gott? Und den Unterdruͤckten, kannſt du meinen Glauben auswendig?
Auch deine Liebe iſt an deinen Goͤzen gebun- den. Du zerreißeſt die Bande des Friedens ob ei- nem einzigen Wort. —
Du bindeſt die Sicherheit und den Wohlſtand des Staats, wie das Allmoſen des Bettlers, mit Gefaͤhrde an deiner Meynungen Dienſt. —
Du verunglimpfeſt außer ihm alle Quellen der Weisheit, und des haͤuslichen und buͤrgerlichen Wohls, und nenneſt deinen Glauben den allein ſe- ligmachenden. —
Heuchlerin! du ſagſt, du verdammeſt nicht! was ſollen denn die andern, wenn nicht ſelig machen?
Wann du redſt, ſo haſt du Vorbehalt in dei- ner Seele (Reſervatio mentalis.)
Du weheſt die Fahne des Mords, als waͤren ſie Fahnen der Liebe.
Kennerin des Elends —! du rufeſt die Ver- wahrloſeten zu deinem truglichen Troſt — du lo-
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Der Pfafheit gebundener Sinn naͤhret das
Laſter — und des Goͤzendienſts ſinnenbehagliche
Feyer iſt wie Minnengeſang jedem Naturtrieb. —
Truͤgerin! du fragſt das Waiſlin, kennſt du
meinen Gott? Und den Unterdruͤckten, kannſt
du meinen Glauben auswendig?
Auch deine Liebe iſt an deinen Goͤzen gebun-
den. Du zerreißeſt die Bande des Friedens ob ei-
nem einzigen Wort. —
Du bindeſt die Sicherheit und den Wohlſtand
des Staats, wie das Allmoſen des Bettlers, mit
Gefaͤhrde an deiner Meynungen Dienſt. —
Du verunglimpfeſt außer ihm alle Quellen der
Weisheit, und des haͤuslichen und buͤrgerlichen
Wohls, und nenneſt deinen Glauben den allein ſe-
ligmachenden. —
Heuchlerin! du ſagſt, du verdammeſt nicht!
was ſollen denn die andern, wenn nicht ſelig machen?
Wann du redſt, ſo haſt du Vorbehalt in dei-
ner Seele (Reſervatio mentalis.)
Du weheſt die Fahne des Mords, als waͤren
ſie Fahnen der Liebe.
Kennerin des Elends —! du rufeſt die Ver-
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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/351>, abgerufen am 21.05.2024.
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