Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

er keine unordentliche Haushalter, und keine Leu-
te, die sich aus dem Rechnen nichts machen, dazu
ziehe. Der Fürst konnte ihm dieses nicht abschlagen,
und sah bey ihrer Wahl allgemein darauf; bey den
Geistlichen allein kam ihm nicht zu Sinn, daß er
auch hierauf Rücksicht nehmen sollte. Es gieng nicht
gut, da alle andere Stände im Eins mal Eins und
in der Erfahrung ihre Handhebe hatten, woran sie
sich hielten, so hatten diese Herren keine, und wuß-
ten nicht recht was sie sagen wollten.

Es war ihnen nicht genug ein wohlversorgtes
Volk, mit ruhigem Gemüth, voller Kräften, zu
weiser häuslicher Glückseligkeit, und zu wirksamer
Menschenliebe gebildet vor ihren Augen zu sehen;
nicht genug, bey ihnen ein ernsthaft frohes, be-
dächtliches Vertrauen auf Gott, und eine Dank-
barkeit gegen ihn, die sich durch allgemeine Sorg-
falt für ihre erste Lebenspflichten als real erprobte,
und eine Menschenführung zu finden, die den Quel-
len der größesten und traurigsten Menschenleiden,
und den vorzüglichsten Reizen zu den meisten Bos-



heiten
und anderseits ists wirklich zu erwarten, daß
ihr Nutzen und Schaden sie allgemein früher zu
richtigen Grundsätzen in der Volksführung er-
heben werde, als daß der große Theil der Geist-
lichkeit, unter den Umständen darinn er lebt,
dahin gelangen möchte.

er keine unordentliche Haushalter, und keine Leu-
te, die ſich aus dem Rechnen nichts machen, dazu
ziehe. Der Fuͤrſt konnte ihm dieſes nicht abſchlagen,
und ſah bey ihrer Wahl allgemein darauf; bey den
Geiſtlichen allein kam ihm nicht zu Sinn, daß er
auch hierauf Ruͤckſicht nehmen ſollte. Es gieng nicht
gut, da alle andere Staͤnde im Eins mal Eins und
in der Erfahrung ihre Handhebe hatten, woran ſie
ſich hielten, ſo hatten dieſe Herren keine, und wuß-
ten nicht recht was ſie ſagen wollten.

Es war ihnen nicht genug ein wohlverſorgtes
Volk, mit ruhigem Gemuͤth, voller Kraͤften, zu
weiſer haͤuslicher Gluͤckſeligkeit, und zu wirkſamer
Menſchenliebe gebildet vor ihren Augen zu ſehen;
nicht genug, bey ihnen ein ernſthaft frohes, be-
daͤchtliches Vertrauen auf Gott, und eine Dank-
barkeit gegen ihn, die ſich durch allgemeine Sorg-
falt fuͤr ihre erſte Lebenspflichten als real erprobte,
und eine Menſchenfuͤhrung zu finden, die den Quel-
len der groͤßeſten und traurigſten Menſchenleiden,
und den vorzuͤglichſten Reizen zu den meiſten Bos-



heiten
und anderſeits iſts wirklich zu erwarten, daß
ihr Nutzen und Schaden ſie allgemein fruͤher zu
richtigen Grundſaͤtzen in der Volksfuͤhrung er-
heben werde, als daß der große Theil der Geiſt-
lichkeit, unter den Umſtaͤnden darinn er lebt,
dahin gelangen moͤchte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0466" n="448"/>
er keine unordentliche Haushalter, und keine Leu-<lb/>
te, die &#x017F;ich aus dem Rechnen nichts machen, dazu<lb/>
ziehe. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t konnte ihm die&#x017F;es nicht ab&#x017F;chlagen,<lb/>
und &#x017F;ah bey ihrer Wahl allgemein darauf; bey den<lb/>
Gei&#x017F;tlichen allein kam ihm nicht zu Sinn, daß er<lb/>
auch hierauf Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen &#x017F;ollte. Es gieng nicht<lb/>
gut, da alle andere Sta&#x0364;nde im Eins mal Eins und<lb/>
in der Erfahrung ihre Handhebe hatten, woran &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich hielten, &#x017F;o hatten die&#x017F;e Herren keine, und wuß-<lb/>
ten nicht recht was &#x017F;ie &#x017F;agen wollten.</p><lb/>
        <p>Es war ihnen nicht genug ein wohlver&#x017F;orgtes<lb/>
Volk, mit ruhigem Gemu&#x0364;th, voller Kra&#x0364;ften, zu<lb/>
wei&#x017F;er ha&#x0364;uslicher Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit, und zu wirk&#x017F;amer<lb/>
Men&#x017F;chenliebe gebildet vor ihren Augen zu &#x017F;ehen;<lb/>
nicht genug, bey ihnen ein ern&#x017F;thaft frohes, be-<lb/>
da&#x0364;chtliches Vertrauen auf Gott, und eine Dank-<lb/>
barkeit gegen ihn, die &#x017F;ich durch allgemeine Sorg-<lb/>
falt fu&#x0364;r ihre er&#x017F;te Lebenspflichten als real erprobte,<lb/>
und eine Men&#x017F;chenfu&#x0364;hrung zu finden, die den Quel-<lb/>
len der gro&#x0364;ße&#x017F;ten und traurig&#x017F;ten Men&#x017F;chenleiden,<lb/>
und den vorzu&#x0364;glich&#x017F;ten Reizen zu den mei&#x017F;ten Bos-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heiten</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note xml:id="seg2pn_6_2" prev="#seg2pn_6_1" place="foot" n="*)">und ander&#x017F;eits i&#x017F;ts wirklich zu erwarten, daß<lb/>
ihr Nutzen und Schaden &#x017F;ie allgemein fru&#x0364;her zu<lb/>
richtigen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen in der Volksfu&#x0364;hrung er-<lb/>
heben werde, als daß der große Theil der Gei&#x017F;t-<lb/>
lichkeit, unter den Um&#x017F;ta&#x0364;nden darinn er lebt,<lb/>
dahin gelangen mo&#x0364;chte.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0466] er keine unordentliche Haushalter, und keine Leu- te, die ſich aus dem Rechnen nichts machen, dazu ziehe. Der Fuͤrſt konnte ihm dieſes nicht abſchlagen, und ſah bey ihrer Wahl allgemein darauf; bey den Geiſtlichen allein kam ihm nicht zu Sinn, daß er auch hierauf Ruͤckſicht nehmen ſollte. Es gieng nicht gut, da alle andere Staͤnde im Eins mal Eins und in der Erfahrung ihre Handhebe hatten, woran ſie ſich hielten, ſo hatten dieſe Herren keine, und wuß- ten nicht recht was ſie ſagen wollten. Es war ihnen nicht genug ein wohlverſorgtes Volk, mit ruhigem Gemuͤth, voller Kraͤften, zu weiſer haͤuslicher Gluͤckſeligkeit, und zu wirkſamer Menſchenliebe gebildet vor ihren Augen zu ſehen; nicht genug, bey ihnen ein ernſthaft frohes, be- daͤchtliches Vertrauen auf Gott, und eine Dank- barkeit gegen ihn, die ſich durch allgemeine Sorg- falt fuͤr ihre erſte Lebenspflichten als real erprobte, und eine Menſchenfuͤhrung zu finden, die den Quel- len der groͤßeſten und traurigſten Menſchenleiden, und den vorzuͤglichſten Reizen zu den meiſten Bos- heiten *) *) und anderſeits iſts wirklich zu erwarten, daß ihr Nutzen und Schaden ſie allgemein fruͤher zu richtigen Grundſaͤtzen in der Volksfuͤhrung er- heben werde, als daß der große Theil der Geiſt- lichkeit, unter den Umſtaͤnden darinn er lebt, dahin gelangen moͤchte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/466
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1787, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard04_1787/466>, abgerufen am 30.04.2024.