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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
Der arme Graf tritt beschämt zurück; er vergißt
alle Schlösser, die er kaufen, und alle Fräulein,
die er heirathen wollte. Die Antichambre ver-
achtet ihn eben so sehr, wie gestern. Er steht
überall im Wege; man drängt ihn zurück. Er
bietet sich an, daß er morgen mit Jhro Excellenz
speisen wolle; aber nun besinnen sich Jhro Excel-
lenz, daß sie morgen selbst zu Gaste sind. Er
sagt etliche artige Einfälle, und niemand lächelt
mehr. Er geht zu denen, die ihm vor drey Stun-
den ehrerbietig auswichen; sie bleiben stehen, sie
merken ihn nicht, und, die ihn noch merken, die
sind so vertraut, Tabak von ihm zu fodern. Zum
größten Unglücke kömmt der Kaufmann in das
Vorzimmer, dem der ganze Hof schmeichelt, weil
der ganze Hof ihm schuldig ist. Er hat in seiner
Schreibestube von der gnädigen Vertraulichkeit
des Prinzen gegen den Grafen gehört; um deß-
willen ließ er alles liegen, und eilte nach Hofe,
um dem Grafen sein ganzes Vermögen anzubie-
bieten, in der Hoffnung, dasjenige wieder zu be-
kommen, was er ihm bereits schuldig war. Aber
schon auf der großen Treppe erfährt er die ge-
schwinde Veränderung: Er geht also in das Vor-
zimmer, sucht den Grafen, und mahnet ihn troz-
zig. Der Graf eilt befchämt nach Hause, ver-
flucht den Hof, und den unglücklichen Tag,
ohne sich zu besinnen, daß dieser Tag der erste
April ist.

5. End-

Das Maͤrchen vom erſten April.
Der arme Graf tritt beſchaͤmt zuruͤck; er vergißt
alle Schloͤſſer, die er kaufen, und alle Fraͤulein,
die er heirathen wollte. Die Antichambre ver-
achtet ihn eben ſo ſehr, wie geſtern. Er ſteht
uͤberall im Wege; man draͤngt ihn zuruͤck. Er
bietet ſich an, daß er morgen mit Jhro Excellenz
ſpeiſen wolle; aber nun beſinnen ſich Jhro Excel-
lenz, daß ſie morgen ſelbſt zu Gaſte ſind. Er
ſagt etliche artige Einfaͤlle, und niemand laͤchelt
mehr. Er geht zu denen, die ihm vor drey Stun-
den ehrerbietig auswichen; ſie bleiben ſtehen, ſie
merken ihn nicht, und, die ihn noch merken, die
ſind ſo vertraut, Tabak von ihm zu fodern. Zum
groͤßten Ungluͤcke koͤmmt der Kaufmann in das
Vorzimmer, dem der ganze Hof ſchmeichelt, weil
der ganze Hof ihm ſchuldig iſt. Er hat in ſeiner
Schreibeſtube von der gnaͤdigen Vertraulichkeit
des Prinzen gegen den Grafen gehoͤrt; um deß-
willen ließ er alles liegen, und eilte nach Hofe,
um dem Grafen ſein ganzes Vermoͤgen anzubie-
bieten, in der Hoffnung, dasjenige wieder zu be-
kommen, was er ihm bereits ſchuldig war. Aber
ſchon auf der großen Treppe erfaͤhrt er die ge-
ſchwinde Veraͤnderung: Er geht alſo in das Vor-
zimmer, ſucht den Grafen, und mahnet ihn troz-
zig. Der Graf eilt befchaͤmt nach Hauſe, ver-
flucht den Hof, und den ungluͤcklichen Tag,
ohne ſich zu beſinnen, daß dieſer Tag der erſte
April iſt.

5. End-
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[504[502]/0526] Das Maͤrchen vom erſten April. Der arme Graf tritt beſchaͤmt zuruͤck; er vergißt alle Schloͤſſer, die er kaufen, und alle Fraͤulein, die er heirathen wollte. Die Antichambre ver- achtet ihn eben ſo ſehr, wie geſtern. Er ſteht uͤberall im Wege; man draͤngt ihn zuruͤck. Er bietet ſich an, daß er morgen mit Jhro Excellenz ſpeiſen wolle; aber nun beſinnen ſich Jhro Excel- lenz, daß ſie morgen ſelbſt zu Gaſte ſind. Er ſagt etliche artige Einfaͤlle, und niemand laͤchelt mehr. Er geht zu denen, die ihm vor drey Stun- den ehrerbietig auswichen; ſie bleiben ſtehen, ſie merken ihn nicht, und, die ihn noch merken, die ſind ſo vertraut, Tabak von ihm zu fodern. Zum groͤßten Ungluͤcke koͤmmt der Kaufmann in das Vorzimmer, dem der ganze Hof ſchmeichelt, weil der ganze Hof ihm ſchuldig iſt. Er hat in ſeiner Schreibeſtube von der gnaͤdigen Vertraulichkeit des Prinzen gegen den Grafen gehoͤrt; um deß- willen ließ er alles liegen, und eilte nach Hofe, um dem Grafen ſein ganzes Vermoͤgen anzubie- bieten, in der Hoffnung, dasjenige wieder zu be- kommen, was er ihm bereits ſchuldig war. Aber ſchon auf der großen Treppe erfaͤhrt er die ge- ſchwinde Veraͤnderung: Er geht alſo in das Vor- zimmer, ſucht den Grafen, und mahnet ihn troz- zig. Der Graf eilt befchaͤmt nach Hauſe, ver- flucht den Hof, und den ungluͤcklichen Tag, ohne ſich zu beſinnen, daß dieſer Tag der erſte April iſt. 5. End-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 504[502]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/526>, abgerufen am 30.04.2024.