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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Mode.
erlangen, als möglich; dieses aber wird geschehen,
wenn er sich angelegen seyn läst, bey seinen äußerli-
chen Handlungen auch so aufzuführen, wie andere
vernünfftige Leute. Als ein Christ muß er sich be-
mühen, seinen Nächsten zu gefallen, im Guten und
zur Besserung. Er muß sich mit Paulo üben, ein
gutes Gewissen zu haben, beydes gegen GOtt und
gegen die Menschen, er muß seinen Nächsten keinen
Anstoß setzen zum Aergerniß, und alle Gelegenheit
vermeyden, daß der Nächste nicht in sündliche Be-
urtheilung seiner Handlungen falle, als welches un-
fehlbar geschehen würde, wenn er sich bey einer
und der andern indifferenten äußerlichen Hand-
lung von andern Leuten gantz und gar absondern
wolte. Joseph und Daniel waren ihrem GOtt ge-
treue Knechte, und dabey manierliche, und bey ihren
Herrschafften beliebte Hof-Leute. Unser Heyland
Christus JEsus selbst, der uns, in Ansehung unse-
rer Lebens-Pflichten, zu einem Fürbild vorgestellt,
daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapffen, nahm
zu an Gnade bey GOtt, und auch bey denen Men-
schen.

§. 24. Ein vernünfftiger Mensch giebet der all-
gemeinen Opinion auch so viel nach, daß er biß-
weilen bey dem Mode-Wesen, wann ihn ein tüch-
tiger Bewegungs-Grund dazu verbindet, einen
kleinen Jrrthum der Wahrheit, und etwas unvoll-
kommners dem vollkommnern vorziehet. Er läst,
wiewohl ungerne, manche gute und nützliche Mode
fahren, und beliebet davor eine andere, die nicht so

nützlich,
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Von der Mode.
erlangen, als moͤglich; dieſes aber wird geſchehen,
wenn er ſich angelegen ſeyn laͤſt, bey ſeinen aͤußerli-
chen Handlungen auch ſo aufzufuͤhren, wie andere
vernuͤnfftige Leute. Als ein Chriſt muß er ſich be-
muͤhen, ſeinen Naͤchſten zu gefallen, im Guten und
zur Beſſerung. Er muß ſich mit Paulo uͤben, ein
gutes Gewiſſen zu haben, beydes gegen GOtt und
gegen die Menſchen, er muß ſeinen Naͤchſten keinen
Anſtoß ſetzen zum Aergerniß, und alle Gelegenheit
vermeyden, daß der Naͤchſte nicht in ſuͤndliche Be-
urtheilung ſeiner Handlungen falle, als welches un-
fehlbar geſchehen wuͤrde, wenn er ſich bey einer
und der andern indifferenten aͤußerlichen Hand-
lung von andern Leuten gantz und gar abſondern
wolte. Joſeph und Daniel waren ihrem GOtt ge-
treue Knechte, und dabey manierliche, und bey ihren
Herrſchafften beliebte Hof-Leute. Unſer Heyland
Chriſtus JEſus ſelbſt, der uns, in Anſehung unſe-
rer Lebens-Pflichten, zu einem Fuͤrbild vorgeſtellt,
daß wir ſollen nachfolgen ſeinen Fußſtapffen, nahm
zu an Gnade bey GOtt, und auch bey denen Men-
ſchen.

§. 24. Ein vernuͤnfftiger Menſch giebet der all-
gemeinen Opinion auch ſo viel nach, daß er biß-
weilen bey dem Mode-Weſen, wann ihn ein tuͤch-
tiger Bewegungs-Grund dazu verbindet, einen
kleinen Jrrthum der Wahrheit, und etwas unvoll-
kommners dem vollkommnern vorziehet. Er laͤſt,
wiewohl ungerne, manche gute und nuͤtzliche Mode
fahren, und beliebet davor eine andere, die nicht ſo

nuͤtzlich,
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[53/0073] Von der Mode. erlangen, als moͤglich; dieſes aber wird geſchehen, wenn er ſich angelegen ſeyn laͤſt, bey ſeinen aͤußerli- chen Handlungen auch ſo aufzufuͤhren, wie andere vernuͤnfftige Leute. Als ein Chriſt muß er ſich be- muͤhen, ſeinen Naͤchſten zu gefallen, im Guten und zur Beſſerung. Er muß ſich mit Paulo uͤben, ein gutes Gewiſſen zu haben, beydes gegen GOtt und gegen die Menſchen, er muß ſeinen Naͤchſten keinen Anſtoß ſetzen zum Aergerniß, und alle Gelegenheit vermeyden, daß der Naͤchſte nicht in ſuͤndliche Be- urtheilung ſeiner Handlungen falle, als welches un- fehlbar geſchehen wuͤrde, wenn er ſich bey einer und der andern indifferenten aͤußerlichen Hand- lung von andern Leuten gantz und gar abſondern wolte. Joſeph und Daniel waren ihrem GOtt ge- treue Knechte, und dabey manierliche, und bey ihren Herrſchafften beliebte Hof-Leute. Unſer Heyland Chriſtus JEſus ſelbſt, der uns, in Anſehung unſe- rer Lebens-Pflichten, zu einem Fuͤrbild vorgeſtellt, daß wir ſollen nachfolgen ſeinen Fußſtapffen, nahm zu an Gnade bey GOtt, und auch bey denen Men- ſchen. §. 24. Ein vernuͤnfftiger Menſch giebet der all- gemeinen Opinion auch ſo viel nach, daß er biß- weilen bey dem Mode-Weſen, wann ihn ein tuͤch- tiger Bewegungs-Grund dazu verbindet, einen kleinen Jrrthum der Wahrheit, und etwas unvoll- kommners dem vollkommnern vorziehet. Er laͤſt, wiewohl ungerne, manche gute und nuͤtzliche Mode fahren, und beliebet davor eine andere, die nicht ſo nuͤtzlich, D 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/73>, abgerufen am 26.04.2024.