Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Infamie.

c) Daß vorher und nachher die Ehen freygeborner
Männer mit ehrlosen Frauen auf keine Weise nichtig wa-
ren, sondern nur nicht die Vortheile verschafften, welche
durch die L. Julia mit dem ehelichen Leben verknüpft wa-
ren: Vortheile, welche sich auf die Fähigkeit bezogen, durch
den letzten Willen eines Verstorbenen mehr oder weniger
zu erwerben.

IV.

Neuere Schriftsteller haben diesen historischen Zusam-
menhang der Eheverbote, auf welchen die häufigen Er-
wähnungen des Senatsschlusses unter Marc Aurel fast
unvermeidlich hindeuten, zwar geahnet, aber so wenig klar
gedacht, daß dadurch die Verwirrung nur noch größer
geworden ist. So Heineccius (a), welcher zuerst sagt, das
Eheverbot der L. Julia sey blos eine Lex minus quam
perfecta
gewesen, und erst der Senatsschluß von Marc
Aurel habe es zu einer perfecta gemacht und die Auflö-
sung der Ehe vorgeschrieben. Dann aber erklärt er auch

auf den Fall ehrloser Gewerbe,
nicht auf die Ehrlosigkeit aus
einzelnen Handlungen. Daß sie
hierauf in der That nicht bezogen
wurden, erhellt auch aus folgen-
der Stelle: L. 43 § 10 de ritu
nupt.
(23. 2.). "Senatus cen-
suit, non conveniens esse ulli
Senatori, uxorem ducere aut
retinere damnatam publico ju-
dicio.
"
Wenn ein Senatuscon-
sult nöthig war, um eine solche
Ehe für unanständig zu erklären,
und dadurch indirect zu verhin-
dern, so konnte sie unmöglich schon
als nichtig angesehen werden.
(a) Heineccius ad L. Jul. et
P. P. Lib. 2 Cap.
2 und Cap. 6.
-- Im Wesentlichen findet sich die-
selbe Ansicht, nur weniger scharf
ausgebildet, auch schon bey Ra-
mos
ad L. Jul. et P. P. Lib. 2
Cap.
8.
Infamie.

c) Daß vorher und nachher die Ehen freygeborner
Männer mit ehrloſen Frauen auf keine Weiſe nichtig wa-
ren, ſondern nur nicht die Vortheile verſchafften, welche
durch die L. Julia mit dem ehelichen Leben verknüpft wa-
ren: Vortheile, welche ſich auf die Fähigkeit bezogen, durch
den letzten Willen eines Verſtorbenen mehr oder weniger
zu erwerben.

IV.

Neuere Schriftſteller haben dieſen hiſtoriſchen Zuſam-
menhang der Eheverbote, auf welchen die häufigen Er-
wähnungen des Senatsſchluſſes unter Marc Aurel faſt
unvermeidlich hindeuten, zwar geahnet, aber ſo wenig klar
gedacht, daß dadurch die Verwirrung nur noch größer
geworden iſt. So Heineccius (a), welcher zuerſt ſagt, das
Eheverbot der L. Julia ſey blos eine Lex minus quam
perfecta
geweſen, und erſt der Senatsſchluß von Marc
Aurel habe es zu einer perfecta gemacht und die Auflö-
ſung der Ehe vorgeſchrieben. Dann aber erklärt er auch

auf den Fall ehrloſer Gewerbe,
nicht auf die Ehrloſigkeit aus
einzelnen Handlungen. Daß ſie
hierauf in der That nicht bezogen
wurden, erhellt auch aus folgen-
der Stelle: L. 43 § 10 de ritu
nupt.
(23. 2.). „Senatus cen-
suit, non conveniens esse ulli
Senatori, uxorem ducere aut
retinere damnatam publico ju-
dicio.
Wenn ein Senatuscon-
ſult nöthig war, um eine ſolche
Ehe für unanſtändig zu erklären,
und dadurch indirect zu verhin-
dern, ſo konnte ſie unmöglich ſchon
als nichtig angeſehen werden.
(a) Heineccius ad L. Jul. et
P. P. Lib. 2 Cap.
2 und Cap. 6.
— Im Weſentlichen findet ſich die-
ſelbe Anſicht, nur weniger ſcharf
ausgebildet, auch ſchon bey Ra-
mos
ad L. Jul. et P. P. Lib. 2
Cap.
8.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0541" n="527"/>
            <fw place="top" type="header">Infamie.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>) Daß vorher und nachher die Ehen freygeborner<lb/>
Männer mit ehrlo&#x017F;en Frauen auf keine Wei&#x017F;e nichtig wa-<lb/>
ren, &#x017F;ondern nur nicht die Vortheile ver&#x017F;chafften, welche<lb/>
durch die <hi rendition="#aq">L. Julia</hi> mit dem ehelichen Leben verknüpft wa-<lb/>
ren: Vortheile, welche &#x017F;ich auf die Fähigkeit bezogen, durch<lb/>
den letzten Willen eines Ver&#x017F;torbenen mehr oder weniger<lb/>
zu erwerben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Neuere Schrift&#x017F;teller haben die&#x017F;en hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zu&#x017F;am-<lb/>
menhang der Eheverbote, auf welchen die häufigen Er-<lb/>
wähnungen des Senats&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es unter Marc Aurel fa&#x017F;t<lb/>
unvermeidlich hindeuten, zwar geahnet, aber &#x017F;o wenig klar<lb/>
gedacht, daß dadurch die Verwirrung nur noch größer<lb/>
geworden i&#x017F;t. So Heineccius <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Heineccius</hi> ad L. Jul. et<lb/>
P. P. Lib. 2 Cap.</hi> 2 und <hi rendition="#aq">Cap.</hi> 6.<lb/>
&#x2014; Im We&#x017F;entlichen findet &#x017F;ich die-<lb/>
&#x017F;elbe An&#x017F;icht, nur weniger &#x017F;charf<lb/>
ausgebildet, auch &#x017F;chon bey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Ra-<lb/>
mos</hi> ad L. Jul. et P. P. Lib. 2<lb/>
Cap.</hi> 8.</note>, welcher zuer&#x017F;t &#x017F;agt, das<lb/>
Eheverbot der <hi rendition="#aq">L. Julia</hi> &#x017F;ey blos eine <hi rendition="#aq">Lex minus quam<lb/>
perfecta</hi> gewe&#x017F;en, und er&#x017F;t der Senats&#x017F;chluß von Marc<lb/>
Aurel habe es zu einer <hi rendition="#aq">perfecta</hi> gemacht und die Auflö-<lb/>
&#x017F;ung der Ehe vorge&#x017F;chrieben. Dann aber erklärt er auch<lb/><note xml:id="seg2pn_86_2" prev="#seg2pn_86_1" place="foot" n="(h)">auf den Fall ehrlo&#x017F;er Gewerbe,<lb/>
nicht auf die Ehrlo&#x017F;igkeit aus<lb/>
einzelnen Handlungen. Daß &#x017F;ie<lb/>
hierauf in der That nicht bezogen<lb/>
wurden, erhellt auch aus folgen-<lb/>
der Stelle: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 43 § 10 de ritu<lb/>
nupt.</hi> (23. 2.). &#x201E;Senatus cen-<lb/>
suit, <hi rendition="#i">non conveniens esse</hi> ulli<lb/>
Senatori, uxorem ducere aut<lb/>
retinere <hi rendition="#i">damnatam publico ju-<lb/>
dicio.</hi>&#x201D;</hi> Wenn ein Senatuscon-<lb/>
&#x017F;ult nöthig war, um eine &#x017F;olche<lb/>
Ehe für unan&#x017F;tändig zu erklären,<lb/>
und dadurch indirect zu verhin-<lb/>
dern, &#x017F;o konnte &#x017F;ie unmöglich &#x017F;chon<lb/>
als nichtig ange&#x017F;ehen werden.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0541] Infamie. c) Daß vorher und nachher die Ehen freygeborner Männer mit ehrloſen Frauen auf keine Weiſe nichtig wa- ren, ſondern nur nicht die Vortheile verſchafften, welche durch die L. Julia mit dem ehelichen Leben verknüpft wa- ren: Vortheile, welche ſich auf die Fähigkeit bezogen, durch den letzten Willen eines Verſtorbenen mehr oder weniger zu erwerben. IV. Neuere Schriftſteller haben dieſen hiſtoriſchen Zuſam- menhang der Eheverbote, auf welchen die häufigen Er- wähnungen des Senatsſchluſſes unter Marc Aurel faſt unvermeidlich hindeuten, zwar geahnet, aber ſo wenig klar gedacht, daß dadurch die Verwirrung nur noch größer geworden iſt. So Heineccius (a), welcher zuerſt ſagt, das Eheverbot der L. Julia ſey blos eine Lex minus quam perfecta geweſen, und erſt der Senatsſchluß von Marc Aurel habe es zu einer perfecta gemacht und die Auflö- ſung der Ehe vorgeſchrieben. Dann aber erklärt er auch (h) (a) Heineccius ad L. Jul. et P. P. Lib. 2 Cap. 2 und Cap. 6. — Im Weſentlichen findet ſich die- ſelbe Anſicht, nur weniger ſcharf ausgebildet, auch ſchon bey Ra- mos ad L. Jul. et P. P. Lib. 2 Cap. 8. (h) auf den Fall ehrloſer Gewerbe, nicht auf die Ehrloſigkeit aus einzelnen Handlungen. Daß ſie hierauf in der That nicht bezogen wurden, erhellt auch aus folgen- der Stelle: L. 43 § 10 de ritu nupt. (23. 2.). „Senatus cen- suit, non conveniens esse ulli Senatori, uxorem ducere aut retinere damnatam publico ju- dicio.” Wenn ein Senatuscon- ſult nöthig war, um eine ſolche Ehe für unanſtändig zu erklären, und dadurch indirect zu verhin- dern, ſo konnte ſie unmöglich ſchon als nichtig angeſehen werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/541
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/541>, abgerufen am 30.04.2024.