nutzung der Römischen Rechtsquellen durch irrige Voraus- setzungen verhindert, und zugleich in der angeblichen aequi- tas des heutigen Rechts einer gränzenlosen Willkühr Raum giebt, wovon vielleicht spätere Schriftsteller größeren Mis- brauch machen dürften, als bisher in der That geschehen ist.
Über die Richtigkeit dieser Auffassung muß der Erfolg die letzte Entscheidung geben. Die ganze folgende Abhand- lung der Rechtskraft geht darauf aus, ein in sich geschlos- senes System dieser Lehre aus den Quellen des R. R. abzuleiten, und ich glaube, daß dazu die Digesten ein völ- lig befriedigendes Material darbieten. Gelingt dieser Ver- such, so ist damit die eben erwähnte Auffassung des Ver- hältnisses zwischen dem Römischen Recht und dem heutigen Recht als grundlos erwiesen.
Aus der nunmehr beendigten geschichtlichen Grundle- gung zur Lehre von der Rechtskraft ergiebt sich folgender Gang, welchen die jetzt folgende Darstellung dieser Lehre zu nehmen haben wird.
Die Formel des neuesten Rechts für die Rechtskraft (§ 281) geht dahin, daß jedem rechtskräftigen Urtheil seine Wirksamkeit für alle Zukunft gesichert bleiben soll. Zur vollständigen Entwicklung dieses Grundsatzes ist eine zwei- fache Untersuchung und Feststellung nöthig:
I.Bedingungen der Rechtskraft:
A.Formelle Bedingungen.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
nutzung der Römiſchen Rechtsquellen durch irrige Voraus- ſetzungen verhindert, und zugleich in der angeblichen aequi- tas des heutigen Rechts einer gränzenloſen Willkühr Raum giebt, wovon vielleicht ſpätere Schriftſteller größeren Mis- brauch machen dürften, als bisher in der That geſchehen iſt.
Über die Richtigkeit dieſer Auffaſſung muß der Erfolg die letzte Entſcheidung geben. Die ganze folgende Abhand- lung der Rechtskraft geht darauf aus, ein in ſich geſchloſ- ſenes Syſtem dieſer Lehre aus den Quellen des R. R. abzuleiten, und ich glaube, daß dazu die Digeſten ein völ- lig befriedigendes Material darbieten. Gelingt dieſer Ver- ſuch, ſo iſt damit die eben erwähnte Auffaſſung des Ver- hältniſſes zwiſchen dem Römiſchen Recht und dem heutigen Recht als grundlos erwieſen.
Aus der nunmehr beendigten geſchichtlichen Grundle- gung zur Lehre von der Rechtskraft ergiebt ſich folgender Gang, welchen die jetzt folgende Darſtellung dieſer Lehre zu nehmen haben wird.
Die Formel des neueſten Rechts für die Rechtskraft (§ 281) geht dahin, daß jedem rechtskräftigen Urtheil ſeine Wirkſamkeit für alle Zukunft geſichert bleiben ſoll. Zur vollſtändigen Entwicklung dieſes Grundſatzes iſt eine zwei- fache Unterſuchung und Feſtſtellung nöthig:
I.Bedingungen der Rechtskraft:
A.Formelle Bedingungen.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
nutzung der Römiſchen Rechtsquellen durch irrige Voraus-
ſetzungen verhindert, und zugleich in der angeblichen aequi-
tas des heutigen Rechts einer gränzenloſen Willkühr Raum
giebt, wovon vielleicht ſpätere Schriftſteller größeren Mis-
brauch machen dürften, als bisher in der That geſchehen iſt.
Über die Richtigkeit dieſer Auffaſſung muß der Erfolg
die letzte Entſcheidung geben. Die ganze folgende Abhand-
lung der Rechtskraft geht darauf aus, ein in ſich geſchloſ-
ſenes Syſtem dieſer Lehre aus den Quellen des R. R.
abzuleiten, und ich glaube, daß dazu die Digeſten ein völ-
lig befriedigendes Material darbieten. Gelingt dieſer Ver-
ſuch, ſo iſt damit die eben erwähnte Auffaſſung des Ver-
hältniſſes zwiſchen dem Römiſchen Recht und dem heutigen
Recht als grundlos erwieſen.
Aus der nunmehr beendigten geſchichtlichen Grundle-
gung zur Lehre von der Rechtskraft ergiebt ſich folgender
Gang, welchen die jetzt folgende Darſtellung dieſer Lehre
zu nehmen haben wird.
Die Formel des neueſten Rechts für die Rechtskraft
(§ 281) geht dahin, daß jedem rechtskräftigen Urtheil ſeine
Wirkſamkeit für alle Zukunft geſichert bleiben ſoll. Zur
vollſtändigen Entwicklung dieſes Grundſatzes iſt eine zwei-
fache Unterſuchung und Feſtſtellung nöthig:
I. Bedingungen der Rechtskraft:
A. Formelle Bedingungen.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/302>, abgerufen am 30.04.2024.
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