lige Sitten, auf Kenntnisse, und auf reine Sprache, Ansprüche zu machen; und sie zie- hen mit Wohlgefallen Beyspiele aus ältern und neuern Zeiten von erlauchten Fremden an, die eine kürzere oder längere Weile mit Be- hagen unter ihnen gelebt haben. Besonders scheint es mir, als ob sie mit einer kleinen Bewe- gung von Eifersucht auf Venedig blicken und, bey einer Vergleichung mit dieser Stadt, in Rücksicht der Litteratur und Kunst, vortheilhafter zu stehen glauben. Es wäre ganz natürlich, wenn die Veroneser litterarisch und artistisch die Venetianer, ihre jetzigen Gebieter, zu übertreffen suchten, da es ihnen nicht mehr erlaubt ist, politisch mit ihnen zu wetteifern. Ehedem verhielten sie sich freylich zu den Städten Brescia, Padua, Vicenza, Treviso u. a. m. wie sich jetzt Venedig zu diesen Städ- ten und zu Verona selbst verhält, das heißt, sie waren ihre Beherrscher und standen, mit den Venetianern auf gleich und gleich in Ver- bindung, als Freystaat; seitdem sie aber ihr
lige Sitten, auf Kenntniſſe, und auf reine Sprache, Anſpruͤche zu machen; und ſie zie- hen mit Wohlgefallen Beyſpiele aus aͤltern und neuern Zeiten von erlauchten Fremden an, die eine kuͤrzere oder laͤngere Weile mit Be- hagen unter ihnen gelebt haben. Beſonders ſcheint es mir, als ob ſie mit einer kleinen Bewe- gung von Eiferſucht auf Venedig blicken und, bey einer Vergleichung mit dieſer Stadt, in Ruͤckſicht der Litteratur und Kunſt, vortheilhafter zu ſtehen glauben. Es waͤre ganz natuͤrlich, wenn die Veroneſer litterariſch und artiſtiſch die Venetianer, ihre jetzigen Gebieter, zu uͤbertreffen ſuchten, da es ihnen nicht mehr erlaubt iſt, politiſch mit ihnen zu wetteifern. Ehedem verhielten ſie ſich freylich zu den Staͤdten Brescia, Padua, Vicenza, Treviſo u. a. m. wie ſich jetzt Venedig zu dieſen Staͤd- ten und zu Verona ſelbſt verhaͤlt, das heißt, ſie waren ihre Beherrſcher und ſtanden, mit den Venetianern auf gleich und gleich in Ver- bindung, als Freyſtaat; ſeitdem ſie aber ihr
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lige Sitten, auf Kenntniſſe, und auf reine
Sprache, Anſpruͤche zu machen; und ſie zie-
hen mit Wohlgefallen Beyſpiele aus aͤltern
und neuern Zeiten von erlauchten Fremden an,
die eine kuͤrzere oder laͤngere Weile mit Be-
hagen unter ihnen gelebt haben. Beſonders
ſcheint es mir, als ob ſie mit einer kleinen Bewe-
gung von Eiferſucht auf Venedig blicken und, bey
einer Vergleichung mit dieſer Stadt, in Ruͤckſicht
der Litteratur und Kunſt, vortheilhafter zu
ſtehen glauben. Es waͤre ganz natuͤrlich,
wenn die Veroneſer litterariſch und artiſtiſch
die Venetianer, ihre jetzigen Gebieter, zu
uͤbertreffen ſuchten, da es ihnen nicht mehr
erlaubt iſt, politiſch mit ihnen zu wetteifern.
Ehedem verhielten ſie ſich freylich zu den
Staͤdten Brescia, Padua, Vicenza, Treviſo
u. a. m. wie ſich jetzt Venedig zu dieſen Staͤd-
ten und zu Verona ſelbſt verhaͤlt, das heißt,
ſie waren ihre Beherrſcher und ſtanden, mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/158>, abgerufen am 21.05.2024.
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