Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

hat. Das sollte uns im Unglück trösten und
unsre übermüthige Fröhlichkeit dämpfen.

Wenn ich Dich doch, mein Liebster, auf
meiner Reise bei mir hätte! Wie ich da al¬
les mehr und inniger genießen würde! Wenn
ich Dir nur alles sagen könnte, was ich lerne
und erfahre, und wie viel Neues ich sehe
und schon gesehn habe! Es überschüttet und
überwältigt mich oft so, daß ich mich äng¬
stige, wie ich alles im Gedächtniß, in mei¬
nen Sinnen aufbewahren will. Die Welt
und die Kunst ist viel reicher, als ich vor¬
her glauben konnte. Fahre nur eifrig fort
zu mahlen, Sebastian, damit Dein Name
auch einmal unter den würdigen Künstlern
genannt werde, Dir gelingt es gewiß eher
und besser, als mir. Mein Geist ist zu un¬
stät, zu wankelmüthig, zu schnell von jeder
Neuheit ergriffen; ich möchte gern alles lei¬
sten, und darüber werde ich am Ende gar
nichts thun können.

hat. Das ſollte uns im Unglück tröſten und
unſre übermüthige Fröhlichkeit dämpfen.

Wenn ich Dich doch, mein Liebſter, auf
meiner Reiſe bei mir hätte! Wie ich da al¬
les mehr und inniger genießen würde! Wenn
ich Dir nur alles ſagen könnte, was ich lerne
und erfahre, und wie viel Neues ich ſehe
und ſchon geſehn habe! Es überſchüttet und
überwältigt mich oft ſo, daß ich mich äng¬
ſtige, wie ich alles im Gedächtniß, in mei¬
nen Sinnen aufbewahren will. Die Welt
und die Kunſt iſt viel reicher, als ich vor¬
her glauben konnte. Fahre nur eifrig fort
zu mahlen, Sebaſtian, damit Dein Name
auch einmal unter den würdigen Künſtlern
genannt werde, Dir gelingt es gewiß eher
und beſſer, als mir. Mein Geiſt iſt zu un¬
ſtät, zu wankelmüthig, zu ſchnell von jeder
Neuheit ergriffen; ich möchte gern alles lei¬
ſten, und darüber werde ich am Ende gar
nichts thun können.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0353" n="345"/>
hat. Das &#x017F;ollte uns im Unglück trö&#x017F;ten und<lb/>
un&#x017F;re übermüthige Fröhlichkeit dämpfen.</p><lb/>
          <p>Wenn ich Dich doch, mein Lieb&#x017F;ter, auf<lb/>
meiner Rei&#x017F;e bei mir hätte! Wie ich da al¬<lb/>
les mehr und inniger genießen würde! Wenn<lb/>
ich Dir nur alles &#x017F;agen könnte, was ich lerne<lb/>
und erfahre, und wie viel Neues ich &#x017F;ehe<lb/>
und &#x017F;chon ge&#x017F;ehn habe! Es über&#x017F;chüttet und<lb/>
überwältigt mich oft &#x017F;o, daß ich mich äng¬<lb/>
&#x017F;tige, wie ich alles im Gedächtniß, in mei¬<lb/>
nen Sinnen aufbewahren will. Die Welt<lb/>
und die Kun&#x017F;t i&#x017F;t viel reicher, als ich vor¬<lb/>
her glauben konnte. Fahre nur eifrig fort<lb/>
zu mahlen, Seba&#x017F;tian, damit Dein Name<lb/>
auch einmal unter den würdigen Kün&#x017F;tlern<lb/>
genannt werde, Dir gelingt es gewiß eher<lb/>
und be&#x017F;&#x017F;er, als mir. Mein Gei&#x017F;t i&#x017F;t zu un¬<lb/>
&#x017F;tät, zu wankelmüthig, zu &#x017F;chnell von jeder<lb/>
Neuheit ergriffen; ich möchte gern alles lei¬<lb/>
&#x017F;ten, und darüber werde ich am Ende gar<lb/>
nichts thun können.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0353] hat. Das ſollte uns im Unglück tröſten und unſre übermüthige Fröhlichkeit dämpfen. Wenn ich Dich doch, mein Liebſter, auf meiner Reiſe bei mir hätte! Wie ich da al¬ les mehr und inniger genießen würde! Wenn ich Dir nur alles ſagen könnte, was ich lerne und erfahre, und wie viel Neues ich ſehe und ſchon geſehn habe! Es überſchüttet und überwältigt mich oft ſo, daß ich mich äng¬ ſtige, wie ich alles im Gedächtniß, in mei¬ nen Sinnen aufbewahren will. Die Welt und die Kunſt iſt viel reicher, als ich vor¬ her glauben konnte. Fahre nur eifrig fort zu mahlen, Sebaſtian, damit Dein Name auch einmal unter den würdigen Künſtlern genannt werde, Dir gelingt es gewiß eher und beſſer, als mir. Mein Geiſt iſt zu un¬ ſtät, zu wankelmüthig, zu ſchnell von jeder Neuheit ergriffen; ich möchte gern alles lei¬ ſten, und darüber werde ich am Ende gar nichts thun können.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/353
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/353>, abgerufen am 26.04.2024.