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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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geschützter Lage gegen den Bord gelehnt. Wir haben ja wieder festes Land unter uns! sagte der Schiffer heiter, und die Luft geht mild! Jetzt möcht' ich doch auch dabei sein und sehen, was Ihr Magen wieder leisten kann! -- Julius saß schon und griff nach den Wunderwerken menschlicher Erfindung, die man ihm aufgetischt hatte. Alles erschien ihm neu und wunderbar. Sie setzten sich zu Dritt (der Schiffsmaat stand am Steuer), und Johann Ohlerich, in seiner besten Laune, warf die Korkstöpsel, die er aus den Flaschen zog, rechts und links über Bord. Dann wurden die Flaschen mit seltener Geschwindigkeit leer, und Schiffer Albrecht mußte den Steuermann mit sanfter Gewalt verhindern, sie gleichfalls den Stöpseln nachzuwerfen. Es dauerte nicht lange, so fing Julius, vom Essen und Trinken begeistert, zu singen an, daß der Maat am Steuer und der Schiffsjunge am Klüverbaum herüberhorchten. Herr Gott, es geht nichts übers Schifferleben! rief er endlich aus.

Nun das versteht sich! sagte Ohlerich lachend. Wie's im Liede heißt:

Matrosenleben, Und das heißt lustig sein! Wenn andre Leute schlafen, Da muß ich wachen, Am Steuer stehn, Am Steuer stehn!

Das ist Alles Eins! seufzte Julius. Ich hab' meine schöne Jugend verlumpt, -- hätt' ein Seemann werden sollen, statt mich hinter den Büchern festzusetzen! Alle Seeleute sollen leben! -- Er hob sein Glas mit etwas elegischem Ausdruck und stieß mit den Beiden an.

Nun, Sie find ein junger Kerl -- und was für ein strammer junger Kerl! -- und Ohlerich sah ihn mit herzhaftem Wohlbehagen an; -- 's könnt' ja Alles noch werden! Mit der Seekrankheit das nimmt auch ein Ende -- wie Alles auf dieser Welt! So ein richtiger Matrose, das ist doch

geschützter Lage gegen den Bord gelehnt. Wir haben ja wieder festes Land unter uns! sagte der Schiffer heiter, und die Luft geht mild! Jetzt möcht' ich doch auch dabei sein und sehen, was Ihr Magen wieder leisten kann! — Julius saß schon und griff nach den Wunderwerken menschlicher Erfindung, die man ihm aufgetischt hatte. Alles erschien ihm neu und wunderbar. Sie setzten sich zu Dritt (der Schiffsmaat stand am Steuer), und Johann Ohlerich, in seiner besten Laune, warf die Korkstöpsel, die er aus den Flaschen zog, rechts und links über Bord. Dann wurden die Flaschen mit seltener Geschwindigkeit leer, und Schiffer Albrecht mußte den Steuermann mit sanfter Gewalt verhindern, sie gleichfalls den Stöpseln nachzuwerfen. Es dauerte nicht lange, so fing Julius, vom Essen und Trinken begeistert, zu singen an, daß der Maat am Steuer und der Schiffsjunge am Klüverbaum herüberhorchten. Herr Gott, es geht nichts übers Schifferleben! rief er endlich aus.

Nun das versteht sich! sagte Ohlerich lachend. Wie's im Liede heißt:

Matrosenleben, Und das heißt lustig sein! Wenn andre Leute schlafen, Da muß ich wachen, Am Steuer stehn, Am Steuer stehn!

Das ist Alles Eins! seufzte Julius. Ich hab' meine schöne Jugend verlumpt, — hätt' ein Seemann werden sollen, statt mich hinter den Büchern festzusetzen! Alle Seeleute sollen leben! — Er hob sein Glas mit etwas elegischem Ausdruck und stieß mit den Beiden an.

Nun, Sie find ein junger Kerl — und was für ein strammer junger Kerl! — und Ohlerich sah ihn mit herzhaftem Wohlbehagen an; — 's könnt' ja Alles noch werden! Mit der Seekrankheit das nimmt auch ein Ende — wie Alles auf dieser Welt! So ein richtiger Matrose, das ist doch

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/54>, abgerufen am 30.04.2024.