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Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840.

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unsere Phantasie mächtig ergreift; einige Pinselstriche, und dem Blicke erscheint eine lebenvolle Landschaft und darin die kühnen Heldengestalten, die Schlacht, das Abenteuer; ein junger Mönch in düsterer Beleuchtung, der die Legende und vom Verbrechen des fürstlichen Vaters schreibt; ein hoher Saal und das königliche Festgepränge, und dazwischen tönt das alte Heldenlied vom Tartarenbesieger Jaroslaw. Obwohl die Gedichte größtentheils episch gehalten sind, so werden sie doch hie und da durch einen lyrischen Erguß, ein Schlachtlied, durch ein einfaches Lied der Liebe, eine Elegie, die um die alten Götter klagt, wohltönend unterbrochen. Wocels Sprache ist gebildet, doch der Vers nicht geschmeidig genug.

Fr. Ladislaw Celakowsky zu Prag, ein tüchtiges Talent, ein fester, fast starrer czechischer Charakter, übt die vollkommenste Herrschaft über die Sprache, wie dieß jedes seiner Werke und die geschmackvollen Uebersetzungen zeigen; sein Vers ist schön, künstlerisch geformt, wie bei keinem. Er liebt sein Vaterland; jede Zeile spricht davon. Aber als kalter Verstandesdichter kann er nicht begeistern, und muß sich begnügen, eine große litterarische Thätigkeit zu seyn, die unsere ganze Achtung erzwingt. Vorzüglich sind seine Nachklänge russischer Lieder, und seine in diesem Jahr erschienenen "Nachklänge böhmischer Lieder;" er zeigt hier, wie tief er den dichtenden Volksgeist und das Volkslied zu verstehen, wie meisterhaft er dasselbe nachzubilden vermag. Celakowsky scheint die neuere Zeit wenig berührt zu haben, wenig die Bewegung, welche bei den Westslaven außerhalb der Litteratur, die ihr nicht genügen kann, ihre Strömung nimmt, die jedoch gleich achtsam ist auf die Stimmen der Männer der Wissenschaft wie der Poesie, die ihren Geist, ihre Ideen zu sich zu ziehen, ja ihnen vielleicht kühnere Bedeutung zu geben sucht, als die Litteratur zugestehen dürfte.

Mehr oder weniger Einfluß gewannen unter den lebenden Dichtern die Dramatiker Klicpera zugleich guter Erzähler), Machacek (ein braver Uebersetzer von Schiller), Turinsky, dann auch Stepanek, dessen Producte zwar von keinem besondern Werthe sind, dem aber die böhmische Bühne ihr Emporblühen verdankt; ferner der Satyriker und Lustspieldichter Chalaupka; der Humorist J. Langer; der classische Uebersetzer Winaricky; der Liederdichter Chmetensky; der Novellist und (wiewohl mit nicht besonderm Glücke) Dramatiker Tyl, ein bewegliches Talent, das bei größerer Ruhe gereifter erschiene; er erzählt gewandt, angenehm, und hat vielleicht das größte Publicum in Böhmen; bei der Eile aber, mit der er seine Arbeiten vollendet, tritt bis jetzt keine besonders hervor.

Vom Nachwuchs erregen Hoffnungen: Ljudewit und Karl Stur, Skultety, Rubes, ein populärer Dichter, dessen "Declamationen" viel Beifall finden, Stule, Pichl, Tomjcek, Filipek, Baron Villany und Andere. Mit J. K. Macha erlosch die bedeutendste dichterische Persönlichkeit Böhmens; man hat von ihm nur ein kleines Gedicht "der Mai" (Prag 1836), nach dessen Erscheinen der junge Mann starb; aber man erkennt darin eine ungewöhnliche Originalität, jene Art poetischer Kraft, welche aus tieferer moderner Weltanschauung fließt und Byron und Puschkin groß gemacht hat. Wenn bis jetzt der Dichter durch seinen patriotischen Enthusiasmus auf die Zustände der czechischen Gesellschaft eingewirkt hat, mit Macha wäre die Dichtkunst selbst, das Genie in die Schranken getreten. Macha am nächsten, doch nur was die Dichtungsweise betrifft, steht Karl Sabinsky.

So schreitet der Westslave muthig vorwärts; man wird seiner Anstrengung die Anerkennung nicht versagen, wenn man beachtet, daß er nur die Aufopferung und keine höhere Bildungsanstalt in seiner Sprache kennt (die Lehrkanzeln der böhmischen Sprache in Prag, Olmütz und Wien dienen dem Staatsbeamten) und die höhere Gesellschaft seinem Streben bis jetzt wenig Beachtung gezollt hat. Kein Land Europa's zeigt ein ähnliches Verhältniß.

Neu-Seeland.

(Beschluß.)

Diese Ansicht der Sache findet in der Torypresse vielfachen Wiederklang, während hingegen mehrere liberale Blätter der Ansicht sind, England solle nachgerade aufhören die Zahl seiner Besitzungen zu vergrößern, und die allerdings wünschenswerthe Colonisation Neu-Seelands der Privatspeculation und einem freundlich-klugen Vernehmen mit den Eingebornen überlassen. Der Sun bemerkt: "Was den angeblichen Plan der Franzosen, sich Neu-Seelands zu bemächtigen, anlangt, der die Londoner Capitalisten so plötzlich in Unruhe versetzt hat, so meinen wir: entweder bleiben die Franzosen in Frieden mit uns, und in diesem Falle werden sie uns Civilisation in jener Weltgegend verbreiten helfen; oder sie gerathen mit uns in Krieg, und dann ist unsere Macht in jenen Meeren der französischen dergestalt überlegen, daß ihre Colonie uns Engländer nur mit ihren Spolien bereichern kann. Uebrigens sind wir so sehr als irgend ein Redner bei der erwähnten Versammlung in der Guildhall dagegen, daß auf Neu-Seeland von irgend einer Nation eine Strafcolonie errichtet werde. Auch brauchte man nur der französischen Regierung einige treue Berichte über unsere eigene australische Strafcolonie vorzulegen, und sie würde vor jedem Plane der Art mit Schaudern zurückschrecken. Als ebenso unweise müssen wir aber die Anmuthung zurückweisen, den ganzen südlichen Continent und die Inseln der Südsee für England in Anspruch zu nehmen." Das ministerielle M. Chronicle schreibt: "Man hat die Regierung getadelt, daß sie die Unabhängigkeit eines Theils des äußersten Nordens von Neu-Seeland anerkannt habe; aus der dem Parlament vorgelegten bezüglichen Correspondenz erhellt jedoch, daß sie unsere Interessen in jener Weltgegend keineswegs vernachlässigt hat, um so weniger, als Neu-Seeland, wie die Sydney-Gazette sagt, von der Natur dazu bestimmt scheint, der Garten von Neu-Südwales zu werden - ein vortreffliches Getreideland, von wo aus den Brodtheuerungen gesteuert werden kann, welche jetzt in unsern andern australischen Besitzungen so häufig vorkommen. Im vorigen Herbst wurde Capitän Hobson nach Neu-Seeland gesendet, um unsere Souveränetät über jene Inseln sicher zu stellen." Die förmliche Besitzergreifung von Neu-Seeland liegt also allerdings in der Absicht der englischen Regierung.

Der französische National bemerkt: "Die Versammlung in der Guildhall hat sich dahin entschieden, der Besitz von Neu-Seeland sey ausschließlich englisch; man hat diesen Eigenthumstitel Großbritanniens sogar bis auf das Jahr 1769 zurückgeführt, der Epoche, in welcher jene Inseln von Capitän Cook entdeckt worden. Die französische Expedition, welche unlängst von Rochefort abgesegelt, um einen Punkt der "Banks-Halbinsel" (Banks-Peninsula, ungefähr am Mittelpunkte der Ostküste der großen südlichen, von den Engländern so genannten Victoria-Insel gelegen), *) zu colonisiren, hat, wie man erwarten durfte, die heftigsten Recriminationen veranlaßt; man ging so weit, sie als eine Verletzung des Völkerrechts, als eine bewaffnete

*) S. den Artikel "Neu-Seeland" im Ausland 1839 Nro. 66 ff., und die daselbst beigefügte Karte.

unsere Phantasie mächtig ergreift; einige Pinselstriche, und dem Blicke erscheint eine lebenvolle Landschaft und darin die kühnen Heldengestalten, die Schlacht, das Abenteuer; ein junger Mönch in düsterer Beleuchtung, der die Legende und vom Verbrechen des fürstlichen Vaters schreibt; ein hoher Saal und das königliche Festgepränge, und dazwischen tönt das alte Heldenlied vom Tartarenbesieger Jaroslaw. Obwohl die Gedichte größtentheils episch gehalten sind, so werden sie doch hie und da durch einen lyrischen Erguß, ein Schlachtlied, durch ein einfaches Lied der Liebe, eine Elegie, die um die alten Götter klagt, wohltönend unterbrochen. Wocels Sprache ist gebildet, doch der Vers nicht geschmeidig genug.

Fr. Ladislaw Celakowsky zu Prag, ein tüchtiges Talent, ein fester, fast starrer czechischer Charakter, übt die vollkommenste Herrschaft über die Sprache, wie dieß jedes seiner Werke und die geschmackvollen Uebersetzungen zeigen; sein Vers ist schön, künstlerisch geformt, wie bei keinem. Er liebt sein Vaterland; jede Zeile spricht davon. Aber als kalter Verstandesdichter kann er nicht begeistern, und muß sich begnügen, eine große litterarische Thätigkeit zu seyn, die unsere ganze Achtung erzwingt. Vorzüglich sind seine Nachklänge russischer Lieder, und seine in diesem Jahr erschienenen „Nachklänge böhmischer Lieder;“ er zeigt hier, wie tief er den dichtenden Volksgeist und das Volkslied zu verstehen, wie meisterhaft er dasselbe nachzubilden vermag. Celakowsky scheint die neuere Zeit wenig berührt zu haben, wenig die Bewegung, welche bei den Westslaven außerhalb der Litteratur, die ihr nicht genügen kann, ihre Strömung nimmt, die jedoch gleich achtsam ist auf die Stimmen der Männer der Wissenschaft wie der Poesie, die ihren Geist, ihre Ideen zu sich zu ziehen, ja ihnen vielleicht kühnere Bedeutung zu geben sucht, als die Litteratur zugestehen dürfte.

Mehr oder weniger Einfluß gewannen unter den lebenden Dichtern die Dramatiker Klicpera zugleich guter Erzähler), Machácek (ein braver Uebersetzer von Schiller), Turinsky, dann auch Stèpanek, dessen Producte zwar von keinem besondern Werthe sind, dem aber die böhmische Bühne ihr Emporblühen verdankt; ferner der Satyriker und Lustspieldichter Chalaupka; der Humorist J. Langer; der classische Uebersetzer Winaricky; der Liederdichter Chmetensky; der Novellist und (wiewohl mit nicht besonderm Glücke) Dramatiker Tyl, ein bewegliches Talent, das bei größerer Ruhe gereifter erschiene; er erzählt gewandt, angenehm, und hat vielleicht das größte Publicum in Böhmen; bei der Eile aber, mit der er seine Arbeiten vollendet, tritt bis jetzt keine besonders hervor.

Vom Nachwuchs erregen Hoffnungen: Ljudewit und Karl Stur, Skultety, Rubes, ein populärer Dichter, dessen „Declamationen“ viel Beifall finden, Stule, Pichl, Tomjcek, Filipek, Baron Villany und Andere. Mit J. K. Mácha erlosch die bedeutendste dichterische Persönlichkeit Böhmens; man hat von ihm nur ein kleines Gedicht „der Mai“ (Prag 1836), nach dessen Erscheinen der junge Mann starb; aber man erkennt darin eine ungewöhnliche Originalität, jene Art poetischer Kraft, welche aus tieferer moderner Weltanschauung fließt und Byron und Puschkin groß gemacht hat. Wenn bis jetzt der Dichter durch seinen patriotischen Enthusiasmus auf die Zustände der czechischen Gesellschaft eingewirkt hat, mit Màcha wäre die Dichtkunst selbst, das Genie in die Schranken getreten. Mácha am nächsten, doch nur was die Dichtungsweise betrifft, steht Karl Sabinsky.

So schreitet der Westslave muthig vorwärts; man wird seiner Anstrengung die Anerkennung nicht versagen, wenn man beachtet, daß er nur die Aufopferung und keine höhere Bildungsanstalt in seiner Sprache kennt (die Lehrkanzeln der böhmischen Sprache in Prag, Olmütz und Wien dienen dem Staatsbeamten) und die höhere Gesellschaft seinem Streben bis jetzt wenig Beachtung gezollt hat. Kein Land Europa's zeigt ein ähnliches Verhältniß.

Neu-Seeland.

(Beschluß.)

Diese Ansicht der Sache findet in der Torypresse vielfachen Wiederklang, während hingegen mehrere liberale Blätter der Ansicht sind, England solle nachgerade aufhören die Zahl seiner Besitzungen zu vergrößern, und die allerdings wünschenswerthe Colonisation Neu-Seelands der Privatspeculation und einem freundlich-klugen Vernehmen mit den Eingebornen überlassen. Der Sun bemerkt: „Was den angeblichen Plan der Franzosen, sich Neu-Seelands zu bemächtigen, anlangt, der die Londoner Capitalisten so plötzlich in Unruhe versetzt hat, so meinen wir: entweder bleiben die Franzosen in Frieden mit uns, und in diesem Falle werden sie uns Civilisation in jener Weltgegend verbreiten helfen; oder sie gerathen mit uns in Krieg, und dann ist unsere Macht in jenen Meeren der französischen dergestalt überlegen, daß ihre Colonie uns Engländer nur mit ihren Spolien bereichern kann. Uebrigens sind wir so sehr als irgend ein Redner bei der erwähnten Versammlung in der Guildhall dagegen, daß auf Neu-Seeland von irgend einer Nation eine Strafcolonie errichtet werde. Auch brauchte man nur der französischen Regierung einige treue Berichte über unsere eigene australische Strafcolonie vorzulegen, und sie würde vor jedem Plane der Art mit Schaudern zurückschrecken. Als ebenso unweise müssen wir aber die Anmuthung zurückweisen, den ganzen südlichen Continent und die Inseln der Südsee für England in Anspruch zu nehmen.“ Das ministerielle M. Chronicle schreibt: „Man hat die Regierung getadelt, daß sie die Unabhängigkeit eines Theils des äußersten Nordens von Neu-Seeland anerkannt habe; aus der dem Parlament vorgelegten bezüglichen Correspondenz erhellt jedoch, daß sie unsere Interessen in jener Weltgegend keineswegs vernachlässigt hat, um so weniger, als Neu-Seeland, wie die Sydney-Gazette sagt, von der Natur dazu bestimmt scheint, der Garten von Neu-Südwales zu werden – ein vortreffliches Getreideland, von wo aus den Brodtheuerungen gesteuert werden kann, welche jetzt in unsern andern australischen Besitzungen so häufig vorkommen. Im vorigen Herbst wurde Capitän Hobson nach Neu-Seeland gesendet, um unsere Souveränetät über jene Inseln sicher zu stellen.“ Die förmliche Besitzergreifung von Neu-Seeland liegt also allerdings in der Absicht der englischen Regierung.

Der französische National bemerkt: „Die Versammlung in der Guildhall hat sich dahin entschieden, der Besitz von Neu-Seeland sey ausschließlich englisch; man hat diesen Eigenthumstitel Großbritanniens sogar bis auf das Jahr 1769 zurückgeführt, der Epoche, in welcher jene Inseln von Capitän Cook entdeckt worden. Die französische Expedition, welche unlängst von Rochefort abgesegelt, um einen Punkt der „Banks-Halbinsel“ (Banks-Peninsula, ungefähr am Mittelpunkte der Ostküste der großen südlichen, von den Engländern so genannten Victoria-Insel gelegen), *) zu colonisiren, hat, wie man erwarten durfte, die heftigsten Recriminationen veranlaßt; man ging so weit, sie als eine Verletzung des Völkerrechts, als eine bewaffnete

*) S. den Artikel „Neu-Seeland“ im Ausland 1839 Nro. 66 ff., und die daselbst beigefügte Karte.
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[0964/0012] unsere Phantasie mächtig ergreift; einige Pinselstriche, und dem Blicke erscheint eine lebenvolle Landschaft und darin die kühnen Heldengestalten, die Schlacht, das Abenteuer; ein junger Mönch in düsterer Beleuchtung, der die Legende und vom Verbrechen des fürstlichen Vaters schreibt; ein hoher Saal und das königliche Festgepränge, und dazwischen tönt das alte Heldenlied vom Tartarenbesieger Jaroslaw. Obwohl die Gedichte größtentheils episch gehalten sind, so werden sie doch hie und da durch einen lyrischen Erguß, ein Schlachtlied, durch ein einfaches Lied der Liebe, eine Elegie, die um die alten Götter klagt, wohltönend unterbrochen. Wocels Sprache ist gebildet, doch der Vers nicht geschmeidig genug. Fr. Ladislaw Celakowsky zu Prag, ein tüchtiges Talent, ein fester, fast starrer czechischer Charakter, übt die vollkommenste Herrschaft über die Sprache, wie dieß jedes seiner Werke und die geschmackvollen Uebersetzungen zeigen; sein Vers ist schön, künstlerisch geformt, wie bei keinem. Er liebt sein Vaterland; jede Zeile spricht davon. Aber als kalter Verstandesdichter kann er nicht begeistern, und muß sich begnügen, eine große litterarische Thätigkeit zu seyn, die unsere ganze Achtung erzwingt. Vorzüglich sind seine Nachklänge russischer Lieder, und seine in diesem Jahr erschienenen „Nachklänge böhmischer Lieder;“ er zeigt hier, wie tief er den dichtenden Volksgeist und das Volkslied zu verstehen, wie meisterhaft er dasselbe nachzubilden vermag. Celakowsky scheint die neuere Zeit wenig berührt zu haben, wenig die Bewegung, welche bei den Westslaven außerhalb der Litteratur, die ihr nicht genügen kann, ihre Strömung nimmt, die jedoch gleich achtsam ist auf die Stimmen der Männer der Wissenschaft wie der Poesie, die ihren Geist, ihre Ideen zu sich zu ziehen, ja ihnen vielleicht kühnere Bedeutung zu geben sucht, als die Litteratur zugestehen dürfte. Mehr oder weniger Einfluß gewannen unter den lebenden Dichtern die Dramatiker Klicpera zugleich guter Erzähler), Machácek (ein braver Uebersetzer von Schiller), Turinsky, dann auch Stèpanek, dessen Producte zwar von keinem besondern Werthe sind, dem aber die böhmische Bühne ihr Emporblühen verdankt; ferner der Satyriker und Lustspieldichter Chalaupka; der Humorist J. Langer; der classische Uebersetzer Winaricky; der Liederdichter Chmetensky; der Novellist und (wiewohl mit nicht besonderm Glücke) Dramatiker Tyl, ein bewegliches Talent, das bei größerer Ruhe gereifter erschiene; er erzählt gewandt, angenehm, und hat vielleicht das größte Publicum in Böhmen; bei der Eile aber, mit der er seine Arbeiten vollendet, tritt bis jetzt keine besonders hervor. Vom Nachwuchs erregen Hoffnungen: Ljudewit und Karl Stur, Skultety, Rubes, ein populärer Dichter, dessen „Declamationen“ viel Beifall finden, Stule, Pichl, Tomjcek, Filipek, Baron Villany und Andere. Mit J. K. Mácha erlosch die bedeutendste dichterische Persönlichkeit Böhmens; man hat von ihm nur ein kleines Gedicht „der Mai“ (Prag 1836), nach dessen Erscheinen der junge Mann starb; aber man erkennt darin eine ungewöhnliche Originalität, jene Art poetischer Kraft, welche aus tieferer moderner Weltanschauung fließt und Byron und Puschkin groß gemacht hat. Wenn bis jetzt der Dichter durch seinen patriotischen Enthusiasmus auf die Zustände der czechischen Gesellschaft eingewirkt hat, mit Màcha wäre die Dichtkunst selbst, das Genie in die Schranken getreten. Mácha am nächsten, doch nur was die Dichtungsweise betrifft, steht Karl Sabinsky. So schreitet der Westslave muthig vorwärts; man wird seiner Anstrengung die Anerkennung nicht versagen, wenn man beachtet, daß er nur die Aufopferung und keine höhere Bildungsanstalt in seiner Sprache kennt (die Lehrkanzeln der böhmischen Sprache in Prag, Olmütz und Wien dienen dem Staatsbeamten) und die höhere Gesellschaft seinem Streben bis jetzt wenig Beachtung gezollt hat. Kein Land Europa's zeigt ein ähnliches Verhältniß. Neu-Seeland. (Beschluß.) Diese Ansicht der Sache findet in der Torypresse vielfachen Wiederklang, während hingegen mehrere liberale Blätter der Ansicht sind, England solle nachgerade aufhören die Zahl seiner Besitzungen zu vergrößern, und die allerdings wünschenswerthe Colonisation Neu-Seelands der Privatspeculation und einem freundlich-klugen Vernehmen mit den Eingebornen überlassen. Der Sun bemerkt: „Was den angeblichen Plan der Franzosen, sich Neu-Seelands zu bemächtigen, anlangt, der die Londoner Capitalisten so plötzlich in Unruhe versetzt hat, so meinen wir: entweder bleiben die Franzosen in Frieden mit uns, und in diesem Falle werden sie uns Civilisation in jener Weltgegend verbreiten helfen; oder sie gerathen mit uns in Krieg, und dann ist unsere Macht in jenen Meeren der französischen dergestalt überlegen, daß ihre Colonie uns Engländer nur mit ihren Spolien bereichern kann. Uebrigens sind wir so sehr als irgend ein Redner bei der erwähnten Versammlung in der Guildhall dagegen, daß auf Neu-Seeland von irgend einer Nation eine Strafcolonie errichtet werde. Auch brauchte man nur der französischen Regierung einige treue Berichte über unsere eigene australische Strafcolonie vorzulegen, und sie würde vor jedem Plane der Art mit Schaudern zurückschrecken. Als ebenso unweise müssen wir aber die Anmuthung zurückweisen, den ganzen südlichen Continent und die Inseln der Südsee für England in Anspruch zu nehmen.“ Das ministerielle M. Chronicle schreibt: „Man hat die Regierung getadelt, daß sie die Unabhängigkeit eines Theils des äußersten Nordens von Neu-Seeland anerkannt habe; aus der dem Parlament vorgelegten bezüglichen Correspondenz erhellt jedoch, daß sie unsere Interessen in jener Weltgegend keineswegs vernachlässigt hat, um so weniger, als Neu-Seeland, wie die Sydney-Gazette sagt, von der Natur dazu bestimmt scheint, der Garten von Neu-Südwales zu werden – ein vortreffliches Getreideland, von wo aus den Brodtheuerungen gesteuert werden kann, welche jetzt in unsern andern australischen Besitzungen so häufig vorkommen. Im vorigen Herbst wurde Capitän Hobson nach Neu-Seeland gesendet, um unsere Souveränetät über jene Inseln sicher zu stellen.“ Die förmliche Besitzergreifung von Neu-Seeland liegt also allerdings in der Absicht der englischen Regierung. Der französische National bemerkt: „Die Versammlung in der Guildhall hat sich dahin entschieden, der Besitz von Neu-Seeland sey ausschließlich englisch; man hat diesen Eigenthumstitel Großbritanniens sogar bis auf das Jahr 1769 zurückgeführt, der Epoche, in welcher jene Inseln von Capitän Cook entdeckt worden. Die französische Expedition, welche unlängst von Rochefort abgesegelt, um einen Punkt der „Banks-Halbinsel“ (Banks-Peninsula, ungefähr am Mittelpunkte der Ostküste der großen südlichen, von den Engländern so genannten Victoria-Insel gelegen), *) zu colonisiren, hat, wie man erwarten durfte, die heftigsten Recriminationen veranlaßt; man ging so weit, sie als eine Verletzung des Völkerrechts, als eine bewaffnete *) S. den Artikel „Neu-Seeland“ im Ausland 1839 Nro. 66 ff., und die daselbst beigefügte Karte.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 121. Augsburg, 30. April 1840, S. 0964. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_121_18400430/12>, abgerufen am 29.03.2024.