Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Wellington.
der Engländer seltener kam, weil er fest zusammen¬
hielt, sich schwerfällig bewegte und den Angriff im¬
mer so einrichtete, daß er mehr einer Vertheidigung
gleicht. Der Stoicismus und das Phlegma des Eng¬
länders sind zwei Waffen, welche ihn auf einem gün¬
stigen Terrain unüberwindlich machen; dis waren in
Spanien zwei Waffen, auf welche sich die Franzo¬
sen, gewöhnt an die tumultuarische Kriegführung der
Eingebornen, nicht eingerichtet hatten; alle Regeln des
Gebirgskriegs scheiterten an diesen Granitkolonnen,
welche ein Feldherr nur aufzustellen brauchte, um sein
Geschäft abzuthun.

Wellington besitzt selbst diese lächelnde Kaltblütigkeit
im höchsten Grade, welche ihm öfter siegen half, als
sein Genie. Er stellte seine Truppen, und war gewiß,
selbst durch die Fehler seiner Anordnungen zu siegen,
da die Entscheidung fast immer verloren geht, wenn
Feldherren die Fehler ihres ersten Entwurfes in der
Schlacht selbst wieder gut machen wollen: die eiserne
Konsequenz des größten Fehlers bringt selbst den ge¬
wandten Gegner aus der Fassung.

Wellington siegte überall dadurch, daß seine Lands¬
leute zu stehen und zu feuern verstanden. Große Vor¬
theile konnte er damit nicht erringen; denn in der

Wellington.
der Englaͤnder ſeltener kam, weil er feſt zuſammen¬
hielt, ſich ſchwerfaͤllig bewegte und den Angriff im¬
mer ſo einrichtete, daß er mehr einer Vertheidigung
gleicht. Der Stoicismus und das Phlegma des Eng¬
laͤnders ſind zwei Waffen, welche ihn auf einem guͤn¬
ſtigen Terrain unuͤberwindlich machen; dis waren in
Spanien zwei Waffen, auf welche ſich die Franzo¬
ſen, gewoͤhnt an die tumultuariſche Kriegfuͤhrung der
Eingebornen, nicht eingerichtet hatten; alle Regeln des
Gebirgskriegs ſcheiterten an dieſen Granitkolonnen,
welche ein Feldherr nur aufzuſtellen brauchte, um ſein
Geſchaͤft abzuthun.

Wellington beſitzt ſelbſt dieſe laͤchelnde Kaltbluͤtigkeit
im hoͤchſten Grade, welche ihm oͤfter ſiegen half, als
ſein Genie. Er ſtellte ſeine Truppen, und war gewiß,
ſelbſt durch die Fehler ſeiner Anordnungen zu ſiegen,
da die Entſcheidung faſt immer verloren geht, wenn
Feldherren die Fehler ihres erſten Entwurfes in der
Schlacht ſelbſt wieder gut machen wollen: die eiſerne
Konſequenz des groͤßten Fehlers bringt ſelbſt den ge¬
wandten Gegner aus der Faſſung.

Wellington ſiegte uͤberall dadurch, daß ſeine Lands¬
leute zu ſtehen und zu feuern verſtanden. Große Vor¬
theile konnte er damit nicht erringen; denn in der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wellington</hi>.<lb/></fw>der Engla&#x0364;nder &#x017F;eltener kam, weil er fe&#x017F;t zu&#x017F;ammen¬<lb/>
hielt, &#x017F;ich &#x017F;chwerfa&#x0364;llig bewegte und den Angriff im¬<lb/>
mer &#x017F;o einrichtete, daß er mehr einer Vertheidigung<lb/>
gleicht. Der Stoicismus und das Phlegma des Eng¬<lb/>
la&#x0364;nders &#x017F;ind zwei Waffen, welche ihn auf einem gu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tigen Terrain unu&#x0364;berwindlich machen; dis waren in<lb/>
Spanien zwei Waffen, auf welche &#x017F;ich die Franzo¬<lb/>
&#x017F;en, gewo&#x0364;hnt an die tumultuari&#x017F;che Kriegfu&#x0364;hrung der<lb/>
Eingebornen, nicht eingerichtet hatten; alle Regeln des<lb/>
Gebirgskriegs &#x017F;cheiterten an die&#x017F;en Granitkolonnen,<lb/>
welche ein Feldherr nur aufzu&#x017F;tellen brauchte, um &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ft abzuthun.</p><lb/>
        <p>Wellington be&#x017F;itzt &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e la&#x0364;chelnde Kaltblu&#x0364;tigkeit<lb/>
im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade, welche ihm o&#x0364;fter &#x017F;iegen half, als<lb/>
&#x017F;ein Genie. Er &#x017F;tellte &#x017F;eine Truppen, und war gewiß,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t durch die Fehler &#x017F;einer Anordnungen zu &#x017F;iegen,<lb/>
da die Ent&#x017F;cheidung fa&#x017F;t immer verloren geht, wenn<lb/>
Feldherren die Fehler ihres er&#x017F;ten Entwurfes in der<lb/>
Schlacht &#x017F;elb&#x017F;t wieder gut machen wollen: die ei&#x017F;erne<lb/>
Kon&#x017F;equenz des gro&#x0364;ßten Fehlers bringt &#x017F;elb&#x017F;t den ge¬<lb/>
wandten Gegner aus der Fa&#x017F;&#x017F;ung.</p><lb/>
        <p>Wellington &#x017F;iegte u&#x0364;berall dadurch, daß &#x017F;eine Lands¬<lb/>
leute zu &#x017F;tehen und zu feuern ver&#x017F;tanden. Große Vor¬<lb/>
theile konnte er damit nicht erringen; denn in der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0172] Wellington. der Englaͤnder ſeltener kam, weil er feſt zuſammen¬ hielt, ſich ſchwerfaͤllig bewegte und den Angriff im¬ mer ſo einrichtete, daß er mehr einer Vertheidigung gleicht. Der Stoicismus und das Phlegma des Eng¬ laͤnders ſind zwei Waffen, welche ihn auf einem guͤn¬ ſtigen Terrain unuͤberwindlich machen; dis waren in Spanien zwei Waffen, auf welche ſich die Franzo¬ ſen, gewoͤhnt an die tumultuariſche Kriegfuͤhrung der Eingebornen, nicht eingerichtet hatten; alle Regeln des Gebirgskriegs ſcheiterten an dieſen Granitkolonnen, welche ein Feldherr nur aufzuſtellen brauchte, um ſein Geſchaͤft abzuthun. Wellington beſitzt ſelbſt dieſe laͤchelnde Kaltbluͤtigkeit im hoͤchſten Grade, welche ihm oͤfter ſiegen half, als ſein Genie. Er ſtellte ſeine Truppen, und war gewiß, ſelbſt durch die Fehler ſeiner Anordnungen zu ſiegen, da die Entſcheidung faſt immer verloren geht, wenn Feldherren die Fehler ihres erſten Entwurfes in der Schlacht ſelbſt wieder gut machen wollen: die eiſerne Konſequenz des groͤßten Fehlers bringt ſelbſt den ge¬ wandten Gegner aus der Faſſung. Wellington ſiegte uͤberall dadurch, daß ſeine Lands¬ leute zu ſtehen und zu feuern verſtanden. Große Vor¬ theile konnte er damit nicht erringen; denn in der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/172
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/172>, abgerufen am 28.04.2024.