Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

jung ich war; so merkt ich doch, daß er seine
Ursachen haben müße es zu verschweigen.

Meine Mutter wie ich sowol diesesmal
als bey andrer Gelegenheit sehen konnte,
hatte mein Vater gleichfalls keinen Daumen-
breit über funfzig Meilen in die Länge, und
zehn-zwanzig bis dreißig in die Breite als
so viel die Gränzen von Curland ausmachen
mitgenommen, dahero sie eben so wenig als
ich den Ort seiner Geburth wußte. Die neue
Welt pflegte sie zu sagen ist entdeckt deines
Vaters Vaterland würde dem Columbus
mehr Schwierigkeiten gemacht haben.

Was bey dieser väterlichen Verschwiegen-
heit einem jeden besonders vorkam, war
die Gewohnheit meines Vaters alle Augen-
blick zu erwehnen wie es bey ihm zu Hause
sey. Er kam darüber bey Leuten in Verle-
genheit die er nicht wie mich mit dem Him-
mel abfertigen konnte; allein ehe man sichs
versahe war er nicht mehr in Curland.

Ich bemerkte auch, nachdem ich größer
war, daß die Leute über diesen Punkt mit
dem guten Mann ein förmliches Mittleiden
zu haben schienen, so daß sie dabei die Ach-
seln in die Höhe zogen, als über einen Men-
schen der so lange vernünftig wäre, bis er

auf
B 5

jung ich war; ſo merkt ich doch, daß er ſeine
Urſachen haben muͤße es zu verſchweigen.

Meine Mutter wie ich ſowol dieſesmal
als bey andrer Gelegenheit ſehen konnte,
hatte mein Vater gleichfalls keinen Daumen-
breit uͤber funfzig Meilen in die Laͤnge, und
zehn-zwanzig bis dreißig in die Breite als
ſo viel die Graͤnzen von Curland ausmachen
mitgenommen, dahero ſie eben ſo wenig als
ich den Ort ſeiner Geburth wußte. Die neue
Welt pflegte ſie zu ſagen iſt entdeckt deines
Vaters Vaterland wuͤrde dem Columbus
mehr Schwierigkeiten gemacht haben.

Was bey dieſer vaͤterlichen Verſchwiegen-
heit einem jeden beſonders vorkam, war
die Gewohnheit meines Vaters alle Augen-
blick zu erwehnen wie es bey ihm zu Hauſe
ſey. Er kam daruͤber bey Leuten in Verle-
genheit die er nicht wie mich mit dem Him-
mel abfertigen konnte; allein ehe man ſichs
verſahe war er nicht mehr in Curland.

Ich bemerkte auch, nachdem ich groͤßer
war, daß die Leute uͤber dieſen Punkt mit
dem guten Mann ein foͤrmliches Mittleiden
zu haben ſchienen, ſo daß ſie dabei die Ach-
ſeln in die Hoͤhe zogen, als uͤber einen Men-
ſchen der ſo lange vernuͤnftig waͤre, bis er

auf
B 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="23"/>
jung ich war; &#x017F;o merkt ich doch, daß er &#x017F;eine<lb/>
Ur&#x017F;achen haben mu&#x0364;ße es zu ver&#x017F;chweigen.</p><lb/>
        <p>Meine Mutter wie ich &#x017F;owol die&#x017F;esmal<lb/>
als bey andrer Gelegenheit &#x017F;ehen konnte,<lb/>
hatte mein Vater gleichfalls keinen Daumen-<lb/>
breit u&#x0364;ber funfzig Meilen in die La&#x0364;nge, und<lb/>
zehn-zwanzig bis dreißig in die Breite als<lb/>
&#x017F;o viel die Gra&#x0364;nzen von Curland ausmachen<lb/>
mitgenommen, dahero &#x017F;ie eben &#x017F;o wenig als<lb/>
ich den Ort &#x017F;einer Geburth wußte. Die neue<lb/>
Welt pflegte &#x017F;ie zu &#x017F;agen i&#x017F;t entdeckt deines<lb/>
Vaters Vaterland wu&#x0364;rde dem Columbus<lb/>
mehr Schwierigkeiten gemacht haben.</p><lb/>
        <p>Was bey die&#x017F;er va&#x0364;terlichen Ver&#x017F;chwiegen-<lb/>
heit einem jeden be&#x017F;onders vorkam, war<lb/>
die Gewohnheit meines Vaters alle Augen-<lb/>
blick zu erwehnen wie es bey ihm zu Hau&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ey. Er kam daru&#x0364;ber bey Leuten in Verle-<lb/>
genheit die er nicht wie mich mit dem Him-<lb/>
mel abfertigen konnte; allein ehe man &#x017F;ichs<lb/>
ver&#x017F;ahe war er nicht mehr in Curland.</p><lb/>
        <p>Ich bemerkte auch, nachdem ich gro&#x0364;ßer<lb/>
war, daß die Leute u&#x0364;ber die&#x017F;en Punkt mit<lb/>
dem guten Mann ein fo&#x0364;rmliches Mittleiden<lb/>
zu haben &#x017F;chienen, &#x017F;o daß &#x017F;ie dabei die Ach-<lb/>
&#x017F;eln in die Ho&#x0364;he zogen, als u&#x0364;ber einen Men-<lb/>
&#x017F;chen der &#x017F;o lange vernu&#x0364;nftig wa&#x0364;re, bis er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 5</fw><fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0031] jung ich war; ſo merkt ich doch, daß er ſeine Urſachen haben muͤße es zu verſchweigen. Meine Mutter wie ich ſowol dieſesmal als bey andrer Gelegenheit ſehen konnte, hatte mein Vater gleichfalls keinen Daumen- breit uͤber funfzig Meilen in die Laͤnge, und zehn-zwanzig bis dreißig in die Breite als ſo viel die Graͤnzen von Curland ausmachen mitgenommen, dahero ſie eben ſo wenig als ich den Ort ſeiner Geburth wußte. Die neue Welt pflegte ſie zu ſagen iſt entdeckt deines Vaters Vaterland wuͤrde dem Columbus mehr Schwierigkeiten gemacht haben. Was bey dieſer vaͤterlichen Verſchwiegen- heit einem jeden beſonders vorkam, war die Gewohnheit meines Vaters alle Augen- blick zu erwehnen wie es bey ihm zu Hauſe ſey. Er kam daruͤber bey Leuten in Verle- genheit die er nicht wie mich mit dem Him- mel abfertigen konnte; allein ehe man ſichs verſahe war er nicht mehr in Curland. Ich bemerkte auch, nachdem ich groͤßer war, daß die Leute uͤber dieſen Punkt mit dem guten Mann ein foͤrmliches Mittleiden zu haben ſchienen, ſo daß ſie dabei die Ach- ſeln in die Hoͤhe zogen, als uͤber einen Men- ſchen der ſo lange vernuͤnftig waͤre, bis er auf B 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/31
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/31>, abgerufen am 11.10.2024.