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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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[Spaltenumbruch] zwischen den Zähnen hatte/ oder gar zu fressen schiene/ vorzustellen pflegten:Denn die Welt nehret sich selber/ und drehet sich immer in einem Kreiß um; welches wir an dem Ursprung/ Untergang/ Abwechselung und Erneuerung aller Dinge augenscheinlich sehen können. Uber dis discurrirt auch Plutarchus/in causis Romanorum capitum, sehr weitläufftig/ Warum Janus zweyköpfig. warum er zweyköpfig gebildet werde/ und vermeinet/ es geschehe solches entweder/ weil Janus selbsten aus Perrhaebe, einer Stadt in Thessalien/bürtig/ hernach/ als er in Italien kommen/ seine Sprache und Lebens-Art verändert; oder/ weil er die Italiäner/ als bäurische und grobe Leute/ zu einem höflichern Leben/ und das gemeine Wesen schicklich zu regieren/ angewiesen habe. Andere deuten es auf der weisen Könige hohen Verstand/ die/ damit sie die unter Handen habende Dinge durch weise und kluge Rahtschläge wol verrichten mögen/ mit einem Angesicht das Zukünfftige lang vorher/ und ehe es geschiehet/ erkennen/ mit dem andern aber das Vergangene im Gedächtnuß behalten/ und dann endlich aus Gegeneinander-Haltung aller beyder/ was in einem iedweden zu thun sey/ sehen mögen. Und eben dieses reimet sich auf die Fürsten sehr wol/ weil sie/ nach des Plutarchus Meinung/ lebendige Bilder der Götter sind.

Abbildungen der Antevorta und Postvorta. Bey den Alten wurden Antevorta und Postvorta für der Gottheit Gefährten geehret; dardurch sie zu verstehen gaben/ daß der göttlichen Weisheit weder das Vergangenes noch Zukünfftige verborgen sey: also sollen die Könige/ die wir auf Erden an GOttes statt ehren/ alles wissen/ was zur Preißwürdigen Reichs-Verwaltung dienen mag. Einige andere sind in der Meinung gewesen/ daß Janus der Chaos, oder aller Dinge rauher und ungeschickter Klumpe sey/der/ wie die Poeten dichten/ vor der Welt Erschaffung gewesen/ und daher eines seiner Angesichter greßlich/ rauh und finster aussehe/ das andere aber frölich/ schön und jung gebildet werde/ aufdaß die Schönheit durch der Dinge Unterschied und immerwährend-vollkommene Ordnung angedeutet/ und er also als ein Gott der Anfänge/ den man aller Dinge Anfang heiligen solte/ geehret würde.

Was des Janus zweyfaches Gesicht im Gemüht bedeute. Wir verfügen uns aber von den materialischen zu denen Dingen/ die mit dem Verstande begriffen werden/ und vergleichen des zweyköpffigten Janus Bildnus unserm Gemüthe/ worvon wir/ wiewol kürtzlich/ iedoch deutlich und verständlich/ etwas berühren wollen. Sobald des Menschen Gemüht von GOTT geschaffen worden/ hat es sich (wie die Platonisten wollen) als des Vaters liebstes Kind/ durch einen natürlichen Trieb/ zu ihm gewandt/ dieweil es sein allerliebstes Vaters-Angesicht wiederum zu sehen/ hefftiges Verlangen träget: welche Begierde [Spaltenumbruch] dem Gemühte eben also eingepflantzt und angeboren/ wie des Feuers Eigenschafft und Art ist aufwarts zu steigen/ indem die Natur dieselbe stätig dahin ziehet/ woher sie ihren Anfang genommen: dann dieses Feuer/ so durch die Krafft der obern Cörper angezündet wird/ ist nichts anders/ als ein Theil des Göttlichen Geistes oder Windes/ den wir in unserm Hertzen eingeschlossen umher tragen; und dieweil es weiß/ daß es von GOTT eingeblasen worden/ so hat es ein wunderbares Verlangen und Begierde nach Gott. Dieses Verlangen aber/ oder (wie wir es besser nennen wollen) dieses Liecht/ bleibet nicht immer in einem Grad: dann ie mehr es der Seele anhanget/ ie dunckler es sich erzeigt/ bis so lange es darinnen gantz bedeckt/ und also benebelt wird/ daß es fast keinen Schein mehr von sich giebt; dahero geschicht/ daß es/ nachdem Gott und alles Göttliche aus den Gedancken verschwunden/ nur sich selbst und diese untere Dinge anschauet. Jedoch erlischet dieses Göttliche Liecht in uns nicht so gar/ daß es uns das Göttliche nicht mehr betrachten liesse; sondern es leuchten unterweilen etliche Sämlein und Füncklein von oben ab hervor/ durch welche wir/ wann wir nur wollen/ wieder zu GOtt kehren können. Dannenhero unsere Seele oder Gemüth mit zweyen Liechtern begabt ist/ deren eines sie von ihrem Ursprunge hat/ und damit sich selbst und diese Untere Dinge betrachtet/ das andere aber/ so vom Himmel herab in sie gefallen/ gebrauchet sie als eines getreuen Führers die Himmlische Geheimnussen zu durchgründen. Und diese beyde Liechter finden wir in der Abbildung des Janus: das Göttliche wird durch das Jünglings-Angesicht angedeutet; das natürliche/ so uns angeboren ist/ bezeichnet uns das alte und bärtigte Angesicht; dann alles/ was alhier entstehet/ ist allezeit der Veränderung unterworffen/ und veraltet endlich. So hat auch die Erkänntnus so aus dem Natur-Liecht erlanget wird/ viel Dunckelheit und Zweiffels in sich: dannenhero wir diese Dinge mit blöden Augen ansehen; die Göttlichen aber/ als da ist der Allmächtige GOtt/ die von den Leibern befreyete Geister/ die Himmlische Sphaeren/ welche durchläuchtig/ und keiner Corruption noch Aenderung unterworffen/ kan unser Gemüht durch das ihm vom Himmel einstrahlende Liecht sehr scharff beschauen und betrachten. Wie dann auch unterschiedliche andere Dinge/ so in unsern Gemühtern sich ereignen/ auf den zweyköpfigten Janus sehr wol applicirt werden könten; dieweil sie aber etwas dunckel/ über dis auch wenig zu unserm Vorhaben dienlich sind/ haben wir sie mit Fleiß übergehen wollen. Es haben aber die Alten den Janus mit vier Häuptern gebildet: wie dann eine dergleichen Bildnus an einem Ort in Hetrurien gefunden worden/ da man den Janus ohne zweiffel für das Jahr gehalten/ dessen

[Spaltenumbruch] zwischen den Zähnen hatte/ oder gar zu fressen schiene/ vorzustellen pflegten:Denn die Welt nehret sich selber/ und drehet sich immer in einem Kreiß um; welches wir an dem Ursprung/ Untergang/ Abwechselung und Erneuerung aller Dinge augenscheinlich sehen können. Uber dis discurrirt auch Plutarchus/in causis Romanorum capitum, sehr weitläufftig/ Warum Janus zweyköpfig. warum er zweyköpfig gebildet werde/ und vermeinet/ es geschehe solches entweder/ weil Janus selbsten aus Perrhaebe, einer Stadt in Thessalien/bürtig/ hernach/ als er in Italien kommen/ seine Sprache und Lebens-Art verändert; oder/ weil er die Italiäner/ als bäurische und grobe Leute/ zu einem höflichern Leben/ und das gemeine Wesen schicklich zu regieren/ angewiesen habe. Andere deuten es auf der weisen Könige hohen Verstand/ die/ damit sie die unter Handen habende Dinge durch weise und kluge Rahtschläge wol verrichten mögen/ mit einem Angesicht das Zukünfftige lang vorher/ und ehe es geschiehet/ erkennen/ mit dem andern aber das Vergangene im Gedächtnuß behalten/ und dann endlich aus Gegeneinander-Haltung aller beyder/ was in einem iedweden zu thun sey/ sehen mögen. Und eben dieses reimet sich auf die Fürsten sehr wol/ weil sie/ nach des Plutarchus Meinung/ lebendige Bilder der Götter sind.

Abbildungen der Antevorta und Postvorta. Bey den Alten wurden Antevorta und Postvorta für der Gottheit Gefährten geehret; dardurch sie zu verstehen gaben/ daß der göttlichen Weisheit weder das Vergangenes noch Zukünfftige verborgen sey: also sollen die Könige/ die wir auf Erden an GOttes statt ehren/ alles wissen/ was zur Preißwürdigen Reichs-Verwaltung dienen mag. Einige andere sind in der Meinung gewesen/ daß Janus der Chaos, oder aller Dinge rauher und ungeschickter Klumpe sey/der/ wie die Poeten dichten/ vor der Welt Erschaffung gewesen/ und daher eines seiner Angesichter greßlich/ rauh und finster aussehe/ das andere aber frölich/ schön und jung gebildet werde/ aufdaß die Schönheit durch der Dinge Unterschied und immerwährend-vollkommene Ordnung angedeutet/ und er also als ein Gott der Anfänge/ den man aller Dinge Anfang heiligen solte/ geehret würde.

Was des Janus zweyfaches Gesicht im Gemüht bedeute. Wir verfügen uns aber von den materialischen zu denen Dingen/ die mit dem Verstande begriffen werden/ und vergleichen des zweyköpffigten Janus Bildnus unserm Gemüthe/ worvon wir/ wiewol kürtzlich/ iedoch deutlich und verständlich/ etwas berühren wollen. Sobald des Menschen Gemüht von GOTT geschaffen worden/ hat es sich (wie die Platonisten wollen) als des Vaters liebstes Kind/ durch einen natürlichen Trieb/ zu ihm gewandt/ dieweil es sein allerliebstes Vaters-Angesicht wiederum zu sehen/ hefftiges Verlangen träget: welche Begierde [Spaltenumbruch] dem Gemühte eben also eingepflantzt und angeboren/ wie des Feuers Eigenschafft und Art ist aufwarts zu steigen/ indem die Natur dieselbe stätig dahin ziehet/ woher sie ihren Anfang genommen: dann dieses Feuer/ so durch die Krafft der obern Cörper angezündet wird/ ist nichts anders/ als ein Theil des Göttlichen Geistes oder Windes/ den wir in unserm Hertzen eingeschlossen umher tragen; und dieweil es weiß/ daß es von GOTT eingeblasen worden/ so hat es ein wunderbares Verlangen und Begierde nach Gott. Dieses Verlangen aber/ oder (wie wir es besser nennen wollen) dieses Liecht/ bleibet nicht immer in einem Grad: dann ie mehr es der Seele anhanget/ ie dunckler es sich erzeigt/ bis so lange es darinnen gantz bedeckt/ und also benebelt wird/ daß es fast keinen Schein mehr von sich giebt; dahero geschicht/ daß es/ nachdem Gott und alles Göttliche aus den Gedancken verschwunden/ nur sich selbst und diese untere Dinge anschauet. Jedoch erlischet dieses Göttliche Liecht in uns nicht so gar/ daß es uns das Göttliche nicht mehr betrachten liesse; sondern es leuchten unterweilen etliche Sämlein und Füncklein von oben ab hervor/ durch welche wir/ wann wir nur wollen/ wieder zu GOtt kehren können. Dannenhero unsere Seele oder Gemüth mit zweyen Liechtern begabt ist/ deren eines sie von ihrem Ursprunge hat/ und damit sich selbst und diese Untere Dinge betrachtet/ das andere aber/ so vom Himmel herab in sie gefallen/ gebrauchet sie als eines getreuen Führers die Himmlische Geheimnussen zu durchgründen. Und diese beyde Liechter finden wir in der Abbildung des Janus: das Göttliche wird durch das Jünglings-Angesicht angedeutet; das natürliche/ so uns angeboren ist/ bezeichnet uns das alte und bärtigte Angesicht; dann alles/ was alhier entstehet/ ist allezeit der Veränderung unterworffen/ und veraltet endlich. So hat auch die Erkänntnus so aus dem Natur-Liecht erlanget wird/ viel Dunckelheit und Zweiffels in sich: dannenhero wir diese Dinge mit blöden Augen ansehen; die Göttlichen aber/ als da ist der Allmächtige GOtt/ die von den Leibern befreyete Geister/ die Himmlische Sphaeren/ welche durchläuchtig/ und keiner Corruption noch Aenderung unterworffen/ kan unser Gemüht durch das ihm vom Himmel einstrahlende Liecht sehr scharff beschauen und betrachten. Wie dann auch unterschiedliche andere Dinge/ so in unsern Gemühtern sich ereignen/ auf den zweyköpfigten Janus sehr wol applicirt werden könten; dieweil sie aber etwas dunckel/ über dis auch wenig zu unserm Vorhaben dienlich sind/ haben wir sie mit Fleiß übergehen wollen. Es haben aber die Alten den Janus mit vier Häuptern gebildet: wie dann eine dergleichen Bildnus an einem Ort in Hetrurien gefunden worden/ da man den Janus ohne zweiffel für das Jahr gehalten/ dessen

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dem Gemühte eben also eingepflantzt und angeboren/ wie des Feuers Eigenschafft und Art ist aufwarts zu steigen/ indem die Natur dieselbe stätig dahin ziehet/ woher sie ihren Anfang genommen: dann dieses Feuer/ so durch die Krafft der obern Cörper angezündet wird/ ist nichts anders/ als ein Theil des Göttlichen Geistes oder Windes/ den wir in unserm Hertzen eingeschlossen umher tragen; und dieweil es weiß/ daß es von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">GOTT</persName> eingeblasen worden/ so hat es ein wunderbares Verlangen und Begierde nach <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gott</persName>. Dieses Verlangen aber/ oder (wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> es besser nennen wollen) dieses Liecht/ bleibet nicht immer in einem Grad: dann ie mehr es der Seele anhanget/ ie dunckler es sich erzeigt/ bis so lange es darinnen gantz bedeckt/ und also benebelt wird/ daß es fast keinen Schein mehr von sich giebt; dahero geschicht/ daß es/ nachdem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gott</persName> und alles Göttliche aus den Gedancken verschwunden/ nur sich selbst und diese untere Dinge anschauet. Jedoch erlischet dieses Göttliche Liecht in uns nicht so gar/ daß es uns das Göttliche nicht mehr betrachten liesse; sondern es leuchten unterweilen etliche Sämlein und Füncklein von oben ab hervor/ durch welche wir/ wann wir nur wollen/ wieder zu <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">GOtt</persName> kehren können. Dannenhero unsere Seele oder Gemüth mit zweyen Liechtern begabt ist/ deren eines sie von ihrem Ursprunge hat/ und damit sich selbst und diese Untere Dinge betrachtet/ das andere aber/ so vom Himmel herab in sie gefallen/ gebrauchet sie als eines getreuen Führers die Himmlische Geheimnussen zu durchgründen. Und diese beyde Liechter finden wir in der Abbildung des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-886">Janus</persName>: das Göttliche wird durch das Jünglings-Angesicht angedeutet; das natürliche/ so uns angeboren ist/ bezeichnet uns das alte und bärtigte Angesicht; dann alles/ was alhier entstehet/ ist allezeit der Veränderung unterworffen/ und veraltet endlich. So hat auch die Erkänntnus so aus dem Natur-Liecht erlanget wird/ viel Dunckelheit und Zweiffels in sich: dannenhero wir diese Dinge mit blöden Augen ansehen; die Göttlichen aber/ als da ist <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">der Allmächtige GOtt</persName>/ die von den Leibern befreyete Geister/ die Himmlische <hi rendition="#aq">Sphaer</hi>en/ welche durchläuchtig/ und keiner <hi rendition="#aq">Corruption</hi> noch Aenderung unterworffen/ kan unser Gemüht durch das ihm vom Himmel einstrahlende Liecht sehr scharff beschauen und betrachten. Wie dann auch unterschiedliche andere Dinge/ so in unsern Gemühtern sich ereignen/ auf den zweyköpfigten <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-886">Janus</persName> sehr wol <hi rendition="#aq">applici</hi>rt werden könten; dieweil sie aber etwas dunckel/ über dis auch wenig zu unserm Vorhaben dienlich sind/ haben <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> sie mit Fleiß übergehen wollen. Es haben aber die Alten den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-886">Janus</persName> mit vier Häuptern gebildet: wie dann eine dergleichen Bildnus an einem Ort in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1271 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7024113"><hi rendition="#aq">Hetruri</hi>en</placeName> gefunden worden/ da man den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-886">Janus</persName> ohne zweiffel für das Jahr gehalten/ dessen
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[TA 1680, Iconologia Deorum, S. 18/0074] zwischen den Zähnen hatte/ oder gar zu fressen schiene/ vorzustellen pflegten:Denn die Welt nehret sich selber/ und drehet sich immer in einem Kreiß um; welches wir an dem Ursprung/ Untergang/ Abwechselung und Erneuerung aller Dinge augenscheinlich sehen können. Uber dis discurrirt auch Plutarchus/in causis Romanorum capitum, sehr weitläufftig/ warum er zweyköpfig gebildet werde/ und vermeinet/ es geschehe solches entweder/ weil Janus selbsten aus Perrhaebe, einer Stadt in Thessalien/bürtig/ hernach/ als er in Italien kommen/ seine Sprache und Lebens-Art verändert; oder/ weil er die Italiäner/ als bäurische und grobe Leute/ zu einem höflichern Leben/ und das gemeine Wesen schicklich zu regieren/ angewiesen habe. Andere deuten es auf der weisen Könige hohen Verstand/ die/ damit sie die unter Handen habende Dinge durch weise und kluge Rahtschläge wol verrichten mögen/ mit einem Angesicht das Zukünfftige lang vorher/ und ehe es geschiehet/ erkennen/ mit dem andern aber das Vergangene im Gedächtnuß behalten/ und dann endlich aus Gegeneinander-Haltung aller beyder/ was in einem iedweden zu thun sey/ sehen mögen. Und eben dieses reimet sich auf die Fürsten sehr wol/ weil sie/ nach des Plutarchus Meinung/ lebendige Bilder der Götter sind. Warum Janus zweyköpfig. Bey den Alten wurden Antevorta und Postvorta für der Gottheit Gefährten geehret; dardurch sie zu verstehen gaben/ daß der göttlichen Weisheit weder das Vergangenes noch Zukünfftige verborgen sey: also sollen die Könige/ die wir auf Erden an GOttes statt ehren/ alles wissen/ was zur Preißwürdigen Reichs-Verwaltung dienen mag. Einige andere sind in der Meinung gewesen/ daß Janus der Chaos, oder aller Dinge rauher und ungeschickter Klumpe sey/der/ wie die Poeten dichten/ vor der Welt Erschaffung gewesen/ und daher eines seiner Angesichter greßlich/ rauh und finster aussehe/ das andere aber frölich/ schön und jung gebildet werde/ aufdaß die Schönheit durch der Dinge Unterschied und immerwährend-vollkommene Ordnung angedeutet/ und er also als ein Gott der Anfänge/ den man aller Dinge Anfang heiligen solte/ geehret würde. Abbildungen der Antevorta und Postvorta. Wir verfügen uns aber von den materialischen zu denen Dingen/ die mit dem Verstande begriffen werden/ und vergleichen des zweyköpffigten Janus Bildnus unserm Gemüthe/ worvon wir/ wiewol kürtzlich/ iedoch deutlich und verständlich/ etwas berühren wollen. Sobald des Menschen Gemüht von GOTT geschaffen worden/ hat es sich (wie die Platonisten wollen) als des Vaters liebstes Kind/ durch einen natürlichen Trieb/ zu ihm gewandt/ dieweil es sein allerliebstes Vaters-Angesicht wiederum zu sehen/ hefftiges Verlangen träget: welche Begierde dem Gemühte eben also eingepflantzt und angeboren/ wie des Feuers Eigenschafft und Art ist aufwarts zu steigen/ indem die Natur dieselbe stätig dahin ziehet/ woher sie ihren Anfang genommen: dann dieses Feuer/ so durch die Krafft der obern Cörper angezündet wird/ ist nichts anders/ als ein Theil des Göttlichen Geistes oder Windes/ den wir in unserm Hertzen eingeschlossen umher tragen; und dieweil es weiß/ daß es von GOTT eingeblasen worden/ so hat es ein wunderbares Verlangen und Begierde nach Gott. Dieses Verlangen aber/ oder (wie wir es besser nennen wollen) dieses Liecht/ bleibet nicht immer in einem Grad: dann ie mehr es der Seele anhanget/ ie dunckler es sich erzeigt/ bis so lange es darinnen gantz bedeckt/ und also benebelt wird/ daß es fast keinen Schein mehr von sich giebt; dahero geschicht/ daß es/ nachdem Gott und alles Göttliche aus den Gedancken verschwunden/ nur sich selbst und diese untere Dinge anschauet. Jedoch erlischet dieses Göttliche Liecht in uns nicht so gar/ daß es uns das Göttliche nicht mehr betrachten liesse; sondern es leuchten unterweilen etliche Sämlein und Füncklein von oben ab hervor/ durch welche wir/ wann wir nur wollen/ wieder zu GOtt kehren können. Dannenhero unsere Seele oder Gemüth mit zweyen Liechtern begabt ist/ deren eines sie von ihrem Ursprunge hat/ und damit sich selbst und diese Untere Dinge betrachtet/ das andere aber/ so vom Himmel herab in sie gefallen/ gebrauchet sie als eines getreuen Führers die Himmlische Geheimnussen zu durchgründen. Und diese beyde Liechter finden wir in der Abbildung des Janus: das Göttliche wird durch das Jünglings-Angesicht angedeutet; das natürliche/ so uns angeboren ist/ bezeichnet uns das alte und bärtigte Angesicht; dann alles/ was alhier entstehet/ ist allezeit der Veränderung unterworffen/ und veraltet endlich. So hat auch die Erkänntnus so aus dem Natur-Liecht erlanget wird/ viel Dunckelheit und Zweiffels in sich: dannenhero wir diese Dinge mit blöden Augen ansehen; die Göttlichen aber/ als da ist der Allmächtige GOtt/ die von den Leibern befreyete Geister/ die Himmlische Sphaeren/ welche durchläuchtig/ und keiner Corruption noch Aenderung unterworffen/ kan unser Gemüht durch das ihm vom Himmel einstrahlende Liecht sehr scharff beschauen und betrachten. Wie dann auch unterschiedliche andere Dinge/ so in unsern Gemühtern sich ereignen/ auf den zweyköpfigten Janus sehr wol applicirt werden könten; dieweil sie aber etwas dunckel/ über dis auch wenig zu unserm Vorhaben dienlich sind/ haben wir sie mit Fleiß übergehen wollen. Es haben aber die Alten den Janus mit vier Häuptern gebildet: wie dann eine dergleichen Bildnus an einem Ort in Hetrurien gefunden worden/ da man den Janus ohne zweiffel für das Jahr gehalten/ dessen Was des Janus zweyfaches Gesicht im Gemüht bedeute.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/74>, abgerufen am 27.04.2024.