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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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Andernfalls werde hingegen der Causalzusammenhang nicht
unterbrochen, und es trete Haftbarkeit für den Eigenthümer
ein. -- Hier aber wirft sich denn doch die Frage auf, ob
einem positiven Gesetze gegenüber, welches den allgemeinen
Grundsatz, daß der gewollte oder verschuldete strafrechtliche
Erfolg verantwortet werden muß, adoptirt hat, eine solche
Berufung auf die Regel des Lebens statthaft ist. Und es
dürfte diese Frage um so sicherer zu verneinen sein, als ihre
Bejahung zugleich eine Beseitigung des Gesetzes, im Falle
dasselbe der Regel des Lebens widersprechen sollte, involviren,
beziehungsweise das Gesetz überhaupt als überflüssig erscheinen
lassen würde. Hat einmal das Gesetz den erwähnten Grund-
satz angenommen, so müssen in demselben die Ausnahmen
bestimmt angegeben sein, dergestalt daß weitere Ausnahmen
unter Berufung auf die Regel des Lebens nicht geschaffen
werden dürfen. Die einzigen Ausnahmen, welche das
deutsche Strafgesetzbuch -- insoweit es nicht außerdem
noch in dem speciellen Theil auf andere Gesichtspunkte durch
die den Definitionen beigefügten Worte "rechtswidrig, wider-
rechtlich u. s. w." hinweist -- zuläßt, sind in den §§. 52,
53, 54 enthalten. Hierbei kommt es dann aber überall nicht
darauf an, ob sich der Erfolg mit oder ohne eigene Thätigkeit
des Beschädigten vollzogen hat. -- Jnnerhalb seiner
Definitionen jedoch stützt sich das Strafgesetzbuch selbst, wie
das auch gar nicht anders sein kann, auf die Regel des Lebens.

Es stimmen zunächst die §§. 52 und 53, zwischen welchen
nur die einzige, unmotivirte, Verschiedenheit besteht, daß nicht
auch in §. 52 das Unverschuldetsein der zwingenden Lage
als Erforderniß der Straflosigkeit aufgestellt wird, darin
überein, daß 1) ihre Definitionen sich nur aus der Regel
des Lebens erklären lassen. Was eine unwiderstehliche Gewalt,
nicht abwendbare gegenwärtige Gefahr, ein nicht zu beseitigen-

Andernfalls werde hingegen der Cauſalzuſammenhang nicht
unterbrochen, und es trete Haftbarkeit für den Eigenthümer
ein. — Hier aber wirft ſich denn doch die Frage auf, ob
einem poſitiven Geſetze gegenüber, welches den allgemeinen
Grundſatz, daß der gewollte oder verſchuldete ſtrafrechtliche
Erfolg verantwortet werden muß, adoptirt hat, eine ſolche
Berufung auf die Regel des Lebens ſtatthaft iſt. Und es
dürfte dieſe Frage um ſo ſicherer zu verneinen ſein, als ihre
Bejahung zugleich eine Beſeitigung des Geſetzes, im Falle
daſſelbe der Regel des Lebens widerſprechen ſollte, involviren,
beziehungsweiſe das Geſetz überhaupt als überflüſſig erſcheinen
laſſen würde. Hat einmal das Geſetz den erwähnten Grund-
ſatz angenommen, ſo müſſen in demſelben die Ausnahmen
beſtimmt angegeben ſein, dergeſtalt daß weitere Ausnahmen
unter Berufung auf die Regel des Lebens nicht geſchaffen
werden dürfen. Die einzigen Ausnahmen, welche das
deutſche Strafgeſetzbuch — inſoweit es nicht außerdem
noch in dem ſpeciellen Theil auf andere Geſichtspunkte durch
die den Definitionen beigefügten Worte „rechtswidrig, wider-
rechtlich u. ſ. w.“ hinweiſt — zuläßt, ſind in den §§. 52,
53, 54 enthalten. Hierbei kommt es dann aber überall nicht
darauf an, ob ſich der Erfolg mit oder ohne eigene Thätigkeit
des Beſchädigten vollzogen hat. — Jnnerhalb ſeiner
Definitionen jedoch ſtützt ſich das Strafgeſetzbuch ſelbſt, wie
das auch gar nicht anders ſein kann, auf die Regel des Lebens.

Es ſtimmen zunächſt die §§. 52 und 53, zwiſchen welchen
nur die einzige, unmotivirte, Verſchiedenheit beſteht, daß nicht
auch in §. 52 das Unverſchuldetſein der zwingenden Lage
als Erforderniß der Strafloſigkeit aufgeſtellt wird, darin
überein, daß 1) ihre Definitionen ſich nur aus der Regel
des Lebens erklären laſſen. Was eine unwiderſtehliche Gewalt,
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[88/0092] Andernfalls werde hingegen der Cauſalzuſammenhang nicht unterbrochen, und es trete Haftbarkeit für den Eigenthümer ein. — Hier aber wirft ſich denn doch die Frage auf, ob einem poſitiven Geſetze gegenüber, welches den allgemeinen Grundſatz, daß der gewollte oder verſchuldete ſtrafrechtliche Erfolg verantwortet werden muß, adoptirt hat, eine ſolche Berufung auf die Regel des Lebens ſtatthaft iſt. Und es dürfte dieſe Frage um ſo ſicherer zu verneinen ſein, als ihre Bejahung zugleich eine Beſeitigung des Geſetzes, im Falle daſſelbe der Regel des Lebens widerſprechen ſollte, involviren, beziehungsweiſe das Geſetz überhaupt als überflüſſig erſcheinen laſſen würde. Hat einmal das Geſetz den erwähnten Grund- ſatz angenommen, ſo müſſen in demſelben die Ausnahmen beſtimmt angegeben ſein, dergeſtalt daß weitere Ausnahmen unter Berufung auf die Regel des Lebens nicht geſchaffen werden dürfen. Die einzigen Ausnahmen, welche das deutſche Strafgeſetzbuch — inſoweit es nicht außerdem noch in dem ſpeciellen Theil auf andere Geſichtspunkte durch die den Definitionen beigefügten Worte „rechtswidrig, wider- rechtlich u. ſ. w.“ hinweiſt — zuläßt, ſind in den §§. 52, 53, 54 enthalten. Hierbei kommt es dann aber überall nicht darauf an, ob ſich der Erfolg mit oder ohne eigene Thätigkeit des Beſchädigten vollzogen hat. — Jnnerhalb ſeiner Definitionen jedoch ſtützt ſich das Strafgeſetzbuch ſelbſt, wie das auch gar nicht anders ſein kann, auf die Regel des Lebens. Es ſtimmen zunächſt die §§. 52 und 53, zwiſchen welchen nur die einzige, unmotivirte, Verſchiedenheit beſteht, daß nicht auch in §. 52 das Unverſchuldetſein der zwingenden Lage als Erforderniß der Strafloſigkeit aufgeſtellt wird, darin überein, daß 1) ihre Definitionen ſich nur aus der Regel des Lebens erklären laſſen. Was eine unwiderſtehliche Gewalt, nicht abwendbare gegenwärtige Gefahr, ein nicht zu beſeitigen-

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/92>, abgerufen am 26.04.2024.